Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
ansah. »Aber ein wenig überwältigt, glaube ich. Ich habe ihn durch den gesamten Bergfried geführt.«
»Und er ist … sss … noch nicht zusammengebrochen?« Dracas Frage klang beifällig.
Lucivar hätte ihre Anerkennung mehr zu schätzen gewusst, wenn seine Beine nicht derart heftig gezittert hätten.
»Wir haben Gäste … sss … Gelehrte. Ihr werdet ungestört zu Abend essen … sss … wollen?«
»Ja, danke«, sagte Jaenelle.
Draca trat zur Seite, wobei ihre Bewegungen von einer behutsamen, uralten Anmut geprägt waren. »Ich lasse … sss … euch eure Reise fortsetzen.« Erneut starrte sie Lucivar an. »Willkommen, Prinz … sss … Yaslana.«
Jaenelle führte ihn durch ein weiteres Labyrinth aus Korridoren. »Es gibt da noch jemanden, den du kennen lernen solltest. Auf diese Weise geben wir Draca außerdem Zeit, ein Gästezimmer für dich herrichten zu lassen; eines mit einer großen Badewanne. Das wird deinen verspannten Muskeln gut tun.« Sie musterte sein Gesicht. »Hat sie dich etwa eingeschüchtert? «
Er hatte versprochen, ehrlich zu sein. »Ja.«
Verblüfft schüttelte Jaenelle den Kopf. »Das scheint jedem so zu gehen. Ich verstehe es nicht. Sie ist einfach wunderbar, wenn man sie erst einmal besser kennen gelernt hat.«
Mit einem Seitenblick auf das schwarze Juwel, das über dem V-Ausschnitt ihrer schmalen schwarzen Tunika hing, entschied er sich, erst gar nicht den Versuch zu unternehmen, es ihr zu erklären.
Nach einer weiteren Treppe und etlichen Biegungen blieb Jaenelle endlich vor einer Tür stehen. Er konnte nur inständig hoffen, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Am Ende des Gangs stand eine Tür offen, und Stimmen drangen aus dem Zimmer, die aufgeregt und hitzig, aber nicht zornig klangen. Es musste sich um die Gelehrten handeln, von denen Draca gesprochen hatte.
Ohne auf die Stimmen zu achten, öffnete Jaenelle die Tür, vor der sie stand, und sie betraten einen Teil der Bibliothek des Bergfrieds. Die eine Seite des Zimmers wurde von einem gewaltigen Ebenholztisch ausgefüllt. Gegenüber befanden sich bequeme Sessel und kleine Tische. Die Rückwand war von etlichen Bogen durchbrochen, hinter denen sich in langen Gängen Nachschlagewerke stapelten, so weit das Auge reichte. Der Bogen ganz rechts wies eine Holztür auf.
»Die restliche Bibliothek beherbergt allgemeine Nachschlagewerke, Bücher über Sagen, Geschichte und Kunst«, erklärte Jaenelle. »Texte, die jeder benutzen darf. In diesen Räumlichkeiten hier befinden sich die älteren Quellen, stärker esoterisch geprägte Bücher über die magischen Künste und die Blutregister. Diese Werke darf man nur mit Geoffreys Erlaubnis lesen.«
»Geoffrey?«
»Ja?«, erklang eine leise Baritonstimme.
Vor ihm stand der Mann mit der blassesten Hautfarbe, den Lucivar je gesehen hatte. Sein Gesicht war bleich wie glänzender Marmor; dazu hatte er schwarzes Haar, schwarze Augen und tiefrote Lippen, die auf beunruhigende Art einladend wirkten. Doch seiner mentalen Signatur haftete etwas Eigenartiges an, etwas unerklärlich Anderes. Beinahe, als sei der Mann …
Hüter!
Das Wort schlug mit aller Gewalt in Lucivars Geist ein und raubte ihm den Atem.
Ein Hüter. Einer der lebenden Toten.
Jaenelle stellte die beiden Männer einander vor. Dann lächelte sie Geoffrey an. »Warum macht ihr euch nicht näher miteinander bekannt? Ich muss etwas nachschlagen.«
Geoffrey warf ihr einen gequälten Blick zu. »Sag mir zumindest den Namen des Buches, bevor du anschließend wieder von dannen ziehst. Als ich deinem Vater das letzte Mal keine Auskunft darüber erteilen konnte, wo du etwas ›nachgeschlagen‹ hattest, bedachte er mich mit einigen blumigen Ausdrücken, die mir die Schamesröte in die Wangen getrieben hätten, wenn das noch möglich wäre.«
Mitfühlend klopfte Jaenelle Geoffrey auf die Schulter und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich bringe dir später das Buch und zeige dir sogar die betreffende Seite.«
»Zu gütig von dir.«
Lachend verschwand Jaenelle inmitten der Bücherstapel.
Geoffrey wandte sich zu Lucivar um. »So, so. Du bist endlich hier.«
Weshalb gaben ihm alle das Gefühl, als habe er sie warten lassen?
Der Bibliothekar hob eine Karaffe empor. »Möchtest du etwas Yarbarah? Oder eine andere Erfrischung?«
Mit Mühe fand Lucivar seine Stimme wieder. »Etwas Yarbarah, bitte.«
»Hast du jemals Yarbarah gekostet?«, erkundigte Geoffrey sich, wobei ein Lächeln seine Lippen umspielte.
»Er wird bei
Weitere Kostenlose Bücher