Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
Adelshäuser mit schwächer werdenden Blutlinien zu gelangen.
Hastig trank er den Yarbarah, der in kaltem Zustand zähflüssig war. Zitternd und mit unterdrücktem Würgen fragte er sich, ob er den Wein bei sich behalten können würde.
Ein kleines Glas und eine weitere Karaffe erschienen. »Hier«, sagte Geoffrey und füllte das Glas, bevor er es Lucivar in die Hand drückte. »Ich denke, Whiskey ist genau das Richtige nach einem derartigen Schock.«
Der Whiskey spülte den Geschmack des schalgewordenen Yarbarah aus seinem Mund und brannte ihm in der Kehle. Er streckte das Glas aus, um sich nachschenken zu lassen.
Als er sein viertes Glas leerte, zitterte er immer noch, fühlte sich aber gleichzeitig leicht und benommen. Sich leicht und benommen zu fühlen, gefiel ihm.
»Was hast du mit Lucivar angestellt?«, wollte Jaenelle wissen und ließ das Buch auf den Tisch fallen. »Ich dachte, ich sei die Einzige, die eine derartige Wirkung auf ihn hat.«
»Schwindlig und benommen«, murmelte Lucivar und lehnte sich mit dem Kopf an Jaenelle.
»Ich verstehe.« Sie tätschelte seinen Arm.
»Komm schon, Lucivar«, meinte Jaenelle. »Stecken wir dich ins Bett.«
Da er nicht den Eindruck erwecken wollte, vier läppische Gläser Whiskey würden ihn die Selbstbeherrschung kosten, stand er hastig auf.
Das Letzte, was er deutlich wahrnahm, bevor sich das Zimmer auf unvorhersehbare Weise zu drehen begann, waren Geoffreys nachsichtiges Lächeln und das Verständnis in Jaenelles Augen.
4Kaeleer
J aenelle war bereits aufgebrochen, bevor er am nächsten Morgen erwachte, sodass er allein mit seinem schmerzenden
Kopf und dem Gefühlssturm in seinem Innern fertig werden musste. Als er herausgefunden hatte, dass sie ihn allein im Bergfried zurückgelassen hatte, war er kurz davor gewesen, sie zu hassen. Insgeheim hatte er ihr vorgeworfen, kalt, grausam und gefühllos zu sein.
Die beiden Tage, die Jaenelle fort war, verbrachte er damit, den Bergfried und den Berg namens Schwarzer Askavi zu erkunden. Zu den Mahlzeiten erschien er regelmäßig, da man es von ihm erwartete, doch er sprach nur, soweit es notwendig war, und zog sich jeden Abend auf sein Zimmer zurück. Die Wölfe leisteten ihm schweigend Gesellschaft. Er kraulte sie und striegelte sie und stellte schließlich die Frage, die ihn beschäftigte.
Ja, erzählte Rauch ihm widerstrebend, Lucivar hatte geweint. Herzweh. Schmerzen, wie wenn man in einer Falle gefangen ist. Die Lady hatte gestreichelt und gestreichelt, gesungen und gesungen.
Es war also nicht nur ein Traum gewesen.
In einer jener Traumlandschaften, die Schwarze Witwen so geschickt zu weben vermochten, war Jaenelle dem Jungen begegnet, der er einst gewesen war, und hatte das Gift aus seiner verwundeten Seele geholt. Er hatte um den Jungen geweint, um die Dinge, die er nicht hatte tun können, und um das, was er nicht hatte sein dürfen. Doch er hatte nicht um den Mann geweint, der er geworden war. »Ach, Lucivar«, hatte sie mit Bedauern in der Stimme gesagt, als sie durch die Traumlandschaft gewandelt waren. »Ich kann die Narben an deinem Körper verschwinden lassen, aber keine Narben auf deiner Seele. Weder deine noch meine. Du wirst lernen müssen, mit ihnen umzugehen. Du musst dich dazu entscheiden, mit ihnen weiterzuleben.«
An etwas anderes aus dem Traum konnte er sich nicht erinnern. Vielleicht sollte er das auch nicht. Doch aufgrund dieses Traumes weinte er nicht um den Mann, der er geworden war.
Lucivar und Jaenelle standen auf der Mauer eines der Außenhöfe des Bergfrieds und sahen in das Tal hinab.
Jaenelle deutet auf das Dorf unter ihnen. » Riada ist das größte Dorf in Ebon Rih. Agio liegt am nördlichen Ende des Tals, Doun am Südende. Abgesehen davon gibt es noch etliche Landendörfer und ein paar unabhängige Bauernhöfe von Blutleuten und Landen.« Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Außerhalb von Doun befindet sich ein großes Steinhaus. Das Grundstück ist von einer steinernen Mauer umgeben. Du kannst es nicht verfehlen.«
Er wartete ab. »Werden wir dorthin gehen?«, fragte er schließlich.
»Ich werde zu meinem Haus zurückkehren. Du gehst zu dem Steinhaus.«
»Warum?«
Sie blickte weiter unverwandt auf das Tal hinab. »Dort lebt deine Mutter.«
Ein großes, dreistöckiges Steinhaus mit einer niedrigen Mauer, die zwei Hektar Land von Wiesen trennte, auf denen unzählige Feldblumen wuchsen. Ein Gemüsegarten, ein Kräutergarten, Blumenbeete, ein Steingarten.
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