Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
Privileg zu verdienen. Ob Jaenelle sich dessen bewusst war oder nicht: Sie war dabei, ihm eine Chance zu geben. »Wie viele?«
Sie blickte ihn verständnislos an.
»Wie viele Gründe? Nenn mir eine Zahl. Jetzt. Wenn ich diese Gründe akzeptieren kann, kann ich mich dazu entscheiden, dir zu dienen. Das ist nur gerecht.«
Jaenelle bedachte ihn mit einem eigenartigen Blick. »Und wirst du dir und mir gegenüber auch ehrlich sein, wenn es darum geht, ob du sie wirklich akzeptieren kannst?«
»Ja.«
Sie entzog sich seinem Griff und setzte sich außer Reichweite auf den Boden. Nach etlichen Minuten angespannten Schweigens verkündete sie: »Drei.«
Drei. Nicht ein Dutzend oder gar noch mehr. Nur drei; was aber auch bedeutete, dass er diese drei Dinge ernst nehmen musste. »Also gut. Wann?«
Jaenelle sprang auf. »Jetzt. Pack eine Tasche. Du wirst die Nacht woanders verbringen.« Schnellen Schrittes machte sie sich auf den Weg zum Haus.
Lucivar folgte ihr, versuchte jedoch nicht, sie einzuholen. Drei Prüfungen würden über die nächsten fünf Jahre seines Lebens entscheiden.
Sie würde gerecht sein. Egal, ob ihr das Ergebnis gefiel oder nicht, würde sie gerecht sein. Und er ebenfalls.
Als er sich dem Haus näherte, liefen ihm die Wölfe entgegen, um ihn zu begrüßen und dem neuen Mitglied ihres Rudels mit ihren Schnauzen Trost zu spenden.
Er vergrub die Hände in ihrem Fell. Würde er sie jemals wiedersehen, wenn er einer anderen dienen musste?
Trotz allem würde er ehrlich sein. Er würde das Vertrauen, das sie ihm schenkte, nicht missbrauchen.
Doch er würde ihre Prüfungen meistern und als Sieger daraus hervorgehen.
3 Kaeleer
L ucivars Herz schlug heftig in seiner Brust. Noch nie zuvor
war er im Bergfried gewesen, nicht einmal in einem der Außenhöfe. Ein Mischling und Bastard wie er hatte es nicht verdient, diesen Ort zu betreten. Wenn er auch sonst nichts in den eyrischen Jagdlagern gelernt hatte, so hatte er doch dies eine behalten: Egal, welche Juwelen er trug oder wie geschickt er im Umgang mit den Waffen sein mochte, seine Geburt bedeutete nun einmal, dass er es nicht wert war, auch nur den Boden zu küssen, über den die Bewohner des Schwarzen Askavi wandelten.
Jetzt war er hier und ging an der Seite von Jaenelle durch gewaltige Räume mit gewölbten Decken, betrat Innenhöfe und Gärten, schritt durch ein Labyrinth breiter Gänge – und ein Prickeln zwischen den Schulterblättern verriet ihm, dass er seit dem Betreten des Bergfrieds beobachtet wurde. Da war etwas, das durch die Gemäuer huschte, sich in den Schatten verbarg und Schatten erschuf, wo es eigentlich keine Schatten hätte geben dürfen. Es schien ihm jedoch nicht feindlich gesinnt zu sein – jedenfalls noch nicht. Doch die Geschichten, die man sich an den Lagerfeuern über die Hüter des Bergfrieds erzählte, hatten schon vielen kleinen Kindern schlaflose Nächte bereitet.
Achselzuckend folgte Lucivar seiner Lady.
Als sie die oberen Stockwerke erreichten, warf Lucivar den Bänken und Stühlen an den Wänden der Gänge immer häufiger sehnsüchtige Blicke zu und versprach sich selbst einen Schluck Wasser, sobald sie das nächste Mal an einem Springbrunnen oder Zierwasserfall vorbeikämen.
Jaenelle hatte nichts gesagt, seitdem sie das Landenetz im Außenhof verlassen hatten. Ihr Schweigen war freundlich, aber nicht trostreich, wofür er Verständnis hatte. Der Schwarze Askavi war der Wohnsitz von Hexe . Wenn er ihr dienen wollte, musste er mit diesem Ort zurechtkommen, ohne ihre Unterstützung zu benötigen.
Sie erreichte einen Punkt, von dem mehrere Korridore abzweigten, blickte nach links und lächelte. »Hallo, Draca. Das hier ist Lucivar Yaslana. Lucivar, das ist Draca, die Seneschallin des Bergfrieds.«
Er empfand Dracas mentale Signatur, die von hohem Alter und weit in die Vergangenheit zurückreichender dunkler Macht zeugte, als ebenso zermürbend wie ihre reptilienhaften Gesichtszüge. Zwar verbeugte er sich respektvoll, war jedoch zu nervös, um die angemessenen Begrüßungsworte zu finden.
Sie blickte ihn aus Augen an, die nicht blinzelten. Da fing er einen Hauch ihrer Gefühle auf, welcher ihn in noch größere Verwirrung stürzte: Aus irgendeinem Grund schien sie sich über ihn zu amüsieren.
»So … sss … so, du bist endlich hier«, sagte Draca. Als Lucivar nichts erwiderte, wandte sie sich an Jaenelle: »Er ist … sss … schüchtern?«
»Wohl kaum«, meinte Jaenelle trocken, wobei sie Draca belustigt
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