Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
hinüber. Die meisten
Fenster lagen im Dunkeln, doch ein paar wenige waren matt erleuchtet. Nachdem sie ihren Lieblingsdolch herbeigerufen hatte, balancierte sie ihn lächelnd in der Hand. »Vielleicht kann ich noch mit einem oder zweien von ihnen den Garten düngen, bevor ich gehe.«
»Nein«, erwiderte Rose scharf und stellte sich vor Surreal auf. »Du musst die Finger von Briarwoods Onkeln lassen. Niemand darf sich ihnen nähern.«
Surreal richtete sich auf, in ihren goldgrünen Augen lag ein wilder Ausdruck. »Ich bin sehr gut in dem, was ich tue, Rose.«
»Nein«, beharrte Rose. »Als man Jaenelles Blut vergoss, wurde gleichzeitig das Verworrene Netz zum Leben erweckt, das sie erschuf. Es ist eine Falle für sie alle.«
Surreal ließ den Blick von dem Gebäude zu Rose wandern. Tatsächlich hatte es Gerüchte um eine geheimnisvolle Krankheit gegeben, die einige hochrangige Ratsmitglieder, so etwa Robert Benedict, und gesellschaftliche Würdenträger wie Kartane SaDiablo befallen hatte. »Und diese Falle wird sie umbringen? «
»Letzten Endes wird sie das«, meinte Rose.
In Surreals Augen trat ein bösartiges Glitzern. »Wie sieht es mit einem Heilmittel aus?«
»Briarwood ist ein süßes Gift, gegen das es kein Heilmittel gibt.«
»Tut es weh?«
Rose grinste. »Sie bekommen, was sie verdient haben.«
Surreal ließ ihren Dolch wieder verschwinden. »Dann sollen die Bastarde ruhig schreien.«
4Terreille
I m Schein zweier rußender Fackeln überprüfte die junge Priesterin die Utensilien, die sie auf den Dunklen Altar gelegt hatte. Alles war bereit: der vierarmige Leuchter mit den schwarzen Kerzen, der kleine silberne Becher und die beiden
Fläschchen mit dunkler Flüssigkeit – eines mit weißem, das andere mit rotem Verschluss.
Als der Fremde mit den verstümmelten Händen ihr die Fläschchen gegeben hatte, hatte er ihr versichert, dass die Flasche mit dem Gegengift sie vor der Wirkung des Hexengebräus bewahren würde, das den Kriegerprinzen überwältigen sollte.
Sie kaute an ihrem Daumennagel, während sie hinter dem Dunklen Altar auf und ab schritt. Es hatte so einfach geklungen, und doch …
Auf einmal erstarrte sie und wagte kaum zu atmen, während sie versuchte, in den dunklen Gang hinter dem schmiedeeisernen Tor zu blicken. War da etwas?
Lediglich die Stille der Nacht umgab sie, als ein Schatten im Schatten lautlos und mit der Anmut einer Raubkatze auf den Altar zuglitt.
Die Priesterin kauerte hinter dem Alter, erbrach das Siegel an dem Fläschchen mit dem weißen Verschluss und trank hastig den Inhalt. Anschließend ließ sie das Gefäß verschwinden und erhob sich. Als sie in Richtung des schmiedeeisernen Tores schaute, hielt sie ihr gelbes Juwel wie zum Schutz umklammert.
Er stand an der anderen Seite des Altars und beobachtete sie. Trotz der zerknitterten Kleidung und des zerzausten Haares ging eine kalte, sinnliche Macht von ihm aus.
Die Priesterin leckte sich die Lippen und wischte sich die feuchten Hände an ihrem wallenden Gewand ab. Seine goldenen Augen wirkten schläfrig und ein wenig glasig.
Dann lächelte er.
Sie erbebte und musste tief Atem holen. »Bist du gekommen, weil du Rat suchst oder benötigst du Hilfe?«
»Hilfe«, erwiderte er mit tiefer, kultivierter Stimme. »Bist du in das Geheimnis eingeweiht, wie man das Tor öffnet?«
Wie konnte ein Mann nur derart schön sein?, dachte sie, während sie nickte. »Das hat aber seinen Preis.« Die Schatten schienen ihre Stimme zu verschlucken.
Mit der linken Hand legte er einen Umschlag, den er aus
einer Innentasche seines Mantels gezogen hatte, auf den Altar. »Reicht das?«
Ihre Hand verharrte regungslos in der Luft über dem dicken weißen Kuvert, als sie ihrem Gegenüber einen Blick zuwarf. Obwohl die Frage höflich gestellt worden war, lag eine Warnung darin, den Betrag besser ausreichend zu finden.
Sie zwang sich, das Kuvert zu öffnen und hineinzusehen. Im nächsten Moment musste sie sich auf dem Altar abstützen. So viel Gold! Mindestens zehnmal so viel, wie der Fremde mit den verstümmelten Händen ihr geboten hatte.
Doch die Vereinbarung mit dem Fremden war bereits getroffen, und ihr würde ausreichend Zeit bleiben, das Gold einzustecken, bevor die Wächter kamen.
Bedächtig schob die Priesterin den Umschlag an die gegenüberliegende Ecke des Altars. »Sehr großzügig«, sagte sie in der Hoffnung, unbeeindruckt zu klingen.
Nachdem sie tief eingeatmet hatte, hob sie den silbernen Becher hoch über ihren
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