Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
Nebel überflutet.
Stöhnend rollte Daemon sich auf die Seite und öffnete langsam die Augen. Selbst das kostete ihn beinahe zu viel Kraft. Zuerst fragte er sich, ob er erblindet war. Dann gelang es ihm nach und nach, verschwommene Umrisse in der Dunkelheit wahrzunehmen.
Nacht. Es war Nacht.
Während er seine Atmung kontrollierte, fing er an, den Schaden zu ermitteln, den sein Körper davongetragen hatte.
Er fühlte sich ausgetrocknet wie Zunderholz und unbeweglich wie Stein. Seine überanstrengten Muskeln brannten. Hunger und Durst waren so groß, dass sie ihm körperliche Pein bereiteten. Irgendwann musste das Fieber nachgelassen haben, doch …
Etwas stimmte nicht.
Worte lügen. Blut nicht.
Die Worte, die Lucivar gesagt hatte, kreisten in seinem Kopf, nahmen immer mehr Raum ein, bis sie mit seinem Geist zusammenstießen und ihn noch weiter zersplittern ließen.
Daemon schrie.
Du bist mein Instrument.
Als Saetans Worte donnernd durch sein Inneres hallten, empfand er noch stärkere Schmerzen – und Angst. Er fürchtete, der Nebel in seinem Geist könnte sich teilen und ihm etwas Schreckliches offenbaren.
Daemon.
Verbissen klammerte er sich an die Erinnerung, wie Jaenelle seinen Namen ausgesprochen hatte, als würde sie ihn mit dem sanften Klang streicheln. Solange er sich das ins Gedächtnis rufen konnte, war er in der Lage, die anderen Stimmen in Schach zu halten. Endlich gelang es ihm, sich zu erheben.
Seine Beine fühlten sich unendlich schwer an, doch er schaffte es, das Haus zu verlassen und den Überresten der Auffahrt zu folgen, die zur Burg führte. Obgleich jede einzelne Bewegung ihm feurige Schmerzen bereitete, war sein Gang wieder das gewohnte geschmeidige Gleiten, als er die Burg erreichte.
Doch noch immer stimmte etwas nicht. Es fiel ihm schwer, weiterhin der Kriegerprinz Daemon Sadi zu sein, am Bewusstsein seiner selbst festzuhalten. Eine Zeit lang musste er aber noch daran festhalten. Er musste.
Daemon sammelte seine letzte Energie und Willenskraft und näherte sich vorsichtig dem kleinen Bauwerk, das den Dunklen Altar beherbergte.
Hekatah schlich in dem Gebäude umher, das im Schatten der Burgruine stand. Sie schüttelte die Fäuste gen Himmel. Die letzten drei Tage waren unerträglich gewesen. Jedes Mal, wenn sie den Altar umkreiste, blickte sie auf die Wand, die sich dahinter befand, da sie insgeheim fürchtete, das Mauerwerk könne sich in Nebel verwandeln, und Saetan würde durch das Tor treten und sie zum Kampf herausfordern.
Doch der Höllenfürst war in letzter Zeit zu sehr mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt gewesen, um ihr auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken.
Ihr größtes Problem war nun Daemon Sadi.
Nachdem er von ihrem Gebräu getrunken hatte, konnte er sich unmöglich von dem Dunklen Altar entfernt haben; egal, was jene idiotischen Wächter auch schwören mochten. Doch wenn er sich tatsächlich auf dem Weg zu diesem Tor befand … Mittlerweile würde die zweite Komponente ihres Gebräus ihre volle Wirkung entfaltet haben, und sein Geist wäre aufnahmebereit für ihre sorgfältig einstudierte Rede. Sie hatte vorgehabt, ihm all die vergifteten Gedanken einzuflüstern, während sie den Fiebernden gesund pflegte, sodass sich jene Worte zu einer schrecklichen, unentrinnbaren Wahrheit verfestigen konnten, sobald das Fieber wieder nachließ. Dann würde all seine Kraft, all die Wut zu einem Dolch werden, der mitten auf Saetans Herz gerichtet war.
Ihre ganzen wohldurchdachten Pläne wurden zunichte gemacht, weil …
Hekatah blieb wie angewurzelt stehen.
Regte sich etwas in der Stille?
Sie warf den Wandfackeln einen abschätzenden Blick zu,
entschied jedoch, sie nicht anzuzünden. Das Mondlicht reichte aus, um sehen zu können.
Da Hekatah ihre Kräfte nicht durch einen unbedeutenden Schutzzauber vergeuden wollte, schlüpfte sie in eine Ecke, die im Schatten lag. Sobald er den Altarraum betrat, würde sie sich in seinem Rücken befinden und hätte die Überraschung auf ihrer Seite.
Sie wartete. Als sie schon glaubte, sich geirrt zu haben, stand er ohne jegliche Vorwarnung vor dem schmiedeeisernen Tor und starrte auf den Altar. Doch er trat nicht ein.
Stirnrunzelnd drehte Hekatah den Kopf leicht, um den Altar betrachten zu können. Er sah genau so aus, wie es sein sollte: Der Kandelaber war angelaufen, und das Wachs der schwarzen Kerzen, die sie sorgsam heruntergebrannt hatte, damit sie nicht zu unbenutzt wirkten, hing wie Stalaktiten von den
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