Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
Da es die Schuppen der Königin waren, über welche die Kunst an andere Völker weitergegeben wurde, und da Gleiches immer zu Gleichem spricht, scheint es mir wahrscheinlich, dass nur weibliche Wesen in der Lage waren, den Zauber in sich aufzunehmen. Von da an waren sie dem Land verbunden und fühlten sich aufgrund des Rhythmus ihres eigenen Körpers vom natürlichen Takt von Ebbe und Flut angezogen. Sie wurden Blut.«
»Was eine Generation lang angehalten hätte«, bemerkte Titian.
»Nicht alle Männer sind dumm.« Als sie ihm einen zweifelnden Blick zuwarf, stieß Saetan einen tiefen Seufzer aus. Mit einer Harpyie über den Wert der Männer zu diskutieren, war in etwa so aussichtsreich, als versuchte man, einem Felsen das Singen beizubringen. Bei Letzterem stünden die Aussichten sogar besser. »Lass uns um der Theorie willen einmal annehmen, wir sprechen von den Dea al Mon.«
»Ah!« Titian lehnte sich zufrieden in ihrem Sessel zurück. » Unsere Männer verfügen tatsächlich über Intelligenz.«
»Ich bin mir sicher, sie sind erleichtert, dass du dieser Ansicht bist«, lautete Saetans trockener Kommentar. »Nun, da die Männer feststellen mussten, dass ein paar der Frauen in
ihrem Territorium auf einmal über magische Fähigkeiten verfügten …«
»… boten sich die besten jungen Krieger als Gefährten und Beschützer an.«
Saetan hob eine Braue. Da Landen – Angehörige eines Volkes, die nicht des Blutes waren – dazu neigten, den Blutleuten und deren Künsten mit Misstrauen zu begegnen, hatte er sich den Verlauf der Geschichte etwas anders vorgestellt. Doch er fand es äußerst interessant, dass eine Hexe der Dea al Mon auf diesen Gedanken kam. Er würde Chaosti und Gabrielle bei Gelegenheit nach deren Meinung fragen. »Und aus diesen Verbindungen entsprangen Kinder, wobei die Mädchen aufgrund ihres Geschlechts die volle Gabe erbten.«
»Doch ein Junge konnte nur ein Halbblut mit wenigen oder gar keinen magischen Fähigkeiten sein.« Titian hielt Saetan ihr Glas entgegen, woraufhin er es erneut füllte.
»Hexen können nicht viele Kinder bekommen«, fuhr Saetan fort, nachdem er sich selbst eingeschenkt hatte. »Je nach dem Geburtsverhältnis von Söhnen und Töchtern kann es etliche Generationen gedauert haben, bis es echte Männer des Blutes gab. Die ganze Zeit über wohnte die Macht dem weiblichen Geschlecht inne, jede Generation lernte von der vorherigen und wurde stärker. Die ersten Königinnen traten wahrscheinlich lange vor dem ersten Krieger auf, von Prinzen einmal ganz zu schweigen. Bis dahin wäre die Vorstellung, dass die Männer den Frauen zu dienen und sie zu beschützen hatten, allen in Fleisch und Blut übergegangen. Was letzten Endes dabei herauskommt, ist die uns bekannte Gesellschaft des Blutes, in der Krieger Hexen rangmäßig gleichgestellt sind, Prinzen hingegen Priesterinnen und Heilerinnen, und in der Schwarze Witwen sich nur Kriegerprinzen und Königinnen gegenüber unterzuordnen haben. Und Kriegerprinzen, die sich über jegliche Konvention hinwegsetzen, stehen eine Stufe über den anderen Kasten und eine Stufe – eine weite Stufe – unter den Königinnen.«
»Wenn man die jeweilige Kaste eines Einzelnen zusammen mit seinem sozialen Status und seinem Juwelenrang betrachtet,
ergibt sich ein faszinierender Tanz.« Titian stellte ihr Glas auf den Tisch. »Eine interessante Theorie, Höllenfürst.«
»Eine interessante Zerstreuung, Lady Titian. Warum hast du es getan? Warum hast du mir heute Abend Gesellschaft geleistet? «
Titian strich ihre waldgrüne Tunika glatt. »Wir sind über Jaenelle miteinander verwandt. Es schien mir … angebracht … dir heute Abend Trost zu spenden, da Jaenelle es nicht kann. Gute Nacht, Höllenfürst.«
Noch lange, nachdem sie gegangen war, saß Saetan vor dem Kamin und beobachtete, wie die Holzscheite zerbarsten und zu Boden fielen. Schließlich raffte er sich auf und erwärmte sich ein letztes Glas Yarbarah. Die Einsamkeit und die Stille störten ihn nicht mehr.
Er hatte seine ganz eigene Theorie, weshalb Männer zu dienen begonnen hatten: Es war nicht nur die Magie, welche die Männer angezogen hatte, sondern der innere Glanz, der aus jenen weiblichen Körpern hervorstrahlte; ein Leuchten, nach dem sich manche Männer so gesehnt hatten, als sei es ein Licht, das sie in einem Fenster schimmern sahen, während sie draußen in der Kälte standen. Sie hatten sich ebenso danach gesehnt, wie sie es begehrt hatten, in die süße Dunkelheit des
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