Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
erleide ich selbst Schmerzen, als jemandem welche zuzufügen.«
Lucivar zog es vor, keinerlei Einwände zu machen. Er war zu erschöpft, und ihre Gefühle waren zu roh. Ebenso wenig wies er sie darauf hin, dass sie auf das Leiden und den Tod eines Freundes reagiert hatte. Was sie um ihrer selbst willen nicht tun konnte oder wollte, tat sie dennoch um einer Person willen, die ihr am Herzen lag.
»Lucivar?«, sagte Jaenelle wehmütig. »Ich will ein Bad nehmen. «
Das war nur eines der unzähligen Dinge, die er wollte. »Lass uns nach Hause gehen, Katze.«
11Terreille
D orothea SaDiablo ließ sich in einen Sessel sinken und starrte ihren unerwarteten Gast entgeistert an. »Hier? Du willst hier bleiben?« Hatte das Miststück in letzter Zeit einmal in den Spiegel gesehen? Wie sollte sie die Anwesenheit eines vertrockneten lebenden Leichnams erklären, der aussah, als sei er gerade aus einer vermoderten Gruft gekrochen?
»Nicht hier an deinem kostbaren Hof«, erwiderte Hekatah und verzog die Lippen zu einem höhnischen Lächeln. »Und ich bitte dich nicht um Erlaubnis, sondern teile dir mit , dass ich in Hayll bleibe und deshalb eine Unterkunft benötige.«
Befehle. Immerzu Befehle. Ständig erinnerte Hekatah sie daran, dass sie niemals die Hohepriesterin von Hayll geworden wäre, wenn Hekatah sie nicht beraten und stillschweigend unterstützt hätte; sie nicht auf Rivalinnen aufmerksam gemacht hätte, die über zu viel Potenzial verfügten und ihren Traum durchkreuzen könnten, eine Hohepriesterin zu sein, die so stark war, dass sich ihr selbst die Königinnen unterwarfen.
Nun, sie war die Hohepriesterin von Hayll, und nachdem sie die Männer über Jahrhunderte gequält und brutal behandelt hatte, und diese im Gegenzug selbst brutal vorgegangen waren, waren in Terreille keine Königinnen mit dunklen Juwelen übrig. Es gab keine Königinnen, Schwarze Witwen oder andere Priesterinnen, die dem Rang ihres roten Juwels entsprachen. In einigen der widerspenstigeren Territorien gab es überhaupt keine Angehörigen des Blutes mit Juwelen mehr. Binnen fünf Jahren würde sie erreichen, was Hekatah nie geschafft hatte: Sie würde die Hohepriesterin von Terreille sein, im ganzen Reich gefürchtet und verehrt.
Und wenn jener Tag aufzog, hatte sie etwas ganz Besonderes für ihre Lehrerin und Beraterin geplant.
Dorothea ließ sich in den Sessel zurücksinken und unterdrückte ein Lächeln. Doch dieser Haufen Knochen, der ihr gegenübersaß, konnte ihr immer noch von Nutzen sein. Sadi trieb sich immer noch irgendwo da draußen herum und spielte seine schwer fassbaren, ärgerlichen Spielchen. Obgleich sie seine Gegenwart seit langem nicht mehr gespürt hatte, fürchtete sie jedes Mal, wenn sie eine Tür öffnete, ihn dort vorzufinden. Doch wenn eine Schwarze Witwe und Hohepriesterin mit rotem Juwel auf dem Landsitz wohnte, den sie sich für besonders ausgefallene Abendveranstaltungen vorbehielt, und wenn er zufällig erfuhr, dass eine Hexe dort heimlich residierte … Nun, ihre mentale Signatur hatte sich längst im
ganzen Haus verbreitet, und er würde sich vielleicht nicht die Zeit nehmen, zwischen der Signatur des Ortes und der Bewohnerin zu unterscheiden. Es wäre schade, das Haus zu verlieren; allerdings glaubte sie wirklich nicht, dass noch etwas davon übrig wäre, wenn er erst einmal damit fertig war.
Natürlich wäre dann auch nichts von Hekatah übrig.
Dorothea steckte sich eine Strähne zurück in ihr locker aufgestecktes schwarzes Haar. »Mir ist klar, dass du mich nicht um meine Erlaubnis gebeten hast, Schwester«, säuselte sie. »Wann hättest du mich schon einmal um etwas gebeten ?«
»Vergiss nicht, mit wem du sprichst«, zischte Hekatah.
»Das vergesse ich niemals«, entgegnete Dorothea süßlich. »Ich habe ein Landhaus, das etwa eine Stunde mit der Kutsche von Draega entfernt ist. Ich benütze es für verschwiegene Vergnügungen. Dort darfst du gerne so lange bleiben wie du möchtest. Die Dienstboten sind hervorragend geschult. Darf ich dir also dringend ans Herz legen, dich nicht an ihnen zu verköstigen? Ich werde dich mit ausreichend jungen Leckerbissen versorgen.« Mit einem Stirnrunzeln betrachtete sie einen ihrer Fingernägel und rief eine Feile herbei, um eine Kante zu glätten. Dann musterte sie den Nagel erneut und feilte ihn ein zweites Mal. Als sie endlich mit dem Ergebnis zufrieden war, ließ sie die Feile verschwinden und bedachte Hekatah mit einem Lächeln. »Sollte die Unterbringung dir
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