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Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung

Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung

Titel: Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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kreisen und streckte die Schultern, um zu versuchen, seine verspannten, müden Muskeln zu lockern.
    Töten ist leichter als Heilen. Vernichten ist leichter als Erschaffen. Niederreißen ist leichter als Erbauen. Diejenigen, die zerstörerische Gefühle und Ambitionen hegen und die Verantwortung scheuen, die das Ausüben von Macht mit sich bringt, können alles zu Fall bringen, was dir lieb ist und du beschützen möchtest. Sei auf der Hut. Immer.
    Saetans Worte. Die Warnung des Höllenfürsten an die jungen Krieger und Kriegerprinzen, die auf die Burg gekommen waren.
    Doch Saetan hatte nie den letzten Teil jener Warnung erwähnt: Manchmal war es gnädiger, den Tod zu geben.
    Er war nicht stark genug, um Jaenelle schnell und sauber umzubringen. Doch selbst bei voller Kraft trugen Randahl und die anderen Krieger hellere Juwelen als er, und Landen
verfügten über keinerlei innere Verteidigungsmechanismen gegen die Angehörigen des Blutes. Sobald Jaenelle und Mari von hier fort waren, und die Jhinka ihre letzte Offensive gestartet hatten, würde er rasch in die Tiefe seiner Juwelen hinabsteigen und noch den letzten Tropfen Stärke hervorholen, den er übrig hatte, um seine Energien dann mit aller Gewalt zu entfesseln. Die Landen würden auf der Stelle sterben, ihre Geister würden verbrennen. Randahl und die anderen mochten ein paar Sekunden länger überleben, doch nicht so lange, dass die Jhinka sie rechtzeitig erreichen könnten.
    Und die Jhinka … sie würden auch umkommen. Manche von ihnen. Viele. Doch nicht alle. Er allein würde übrig sein, wenn die Überlebenden kamen, um ihn in Stücke zu reißen. Dafür würde er Sorge tragen. In Terreille hatte er gegen Jhinka gekämpft und gesehen, was sie mit Gefangenen machten. Was Grausamkeit betraf, waren sie ein überaus erfinderisches Volk. Andererseits konnte man das von vielen Angehörigen des Blutes ebenfalls sagen.
    Lucivar drehte den Kopf, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.
    Ein paar Meter entfernt stand Jaenelle, den Blick unverwandt auf die Jhinka gerichtet.
    Sie trug nichts außer dem schwarzen Juwel um ihren Hals.
    Er konnte verstehen, weshalb. Selbst ihre Unterwäsche passte ihr nicht mehr. Sämtliche Muskeln, all die weiblichen Rundungen, die sie im letzten Jahr entwickelt hatte, waren verschwunden. Da ihr Körper keine sonstige Nahrung erhalten hatte, war er daran gegangen, sich selbst zu verzehren, um weiterhin als Gefäß für ihr inneres Feuer dienen zu können. Die Knochen zeichneten sich unter der blassen, feuchten, blutverschmierten Haut ab. Er konnte ihre Rippen zählen, sah, wie sich ihre Hüftknochen bewegten, als sie das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. Ihre goldene Mähne war ganz dunkel und verkrustet von dem Blut, das an ihren Händen gewesen sein musste, als sie sich mit den Fingern durchs Haar fuhr.

    Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb war ihr Gesicht auf eigenartige Weise unwiderstehlich. Ihre Jugend war von dem inneren Feuer während des Heilens verzehrt worden, sodass sie nun eine alterslose Schönheit besaß, die zu ihren uralten, gehetzten Saphiraugen passte. Ihr Antlitz glich einer erlesenen Maske, die nie wieder von den Sorgen der Lebenden berührt werden würde.
    Dann zerbarst die Maske. Jaenelles Kummer und ihre Wut durchfluteten ihn und ließen ihn rückwärts gegen das Gebäude taumeln.
    Lucivar hielt sich verzweifelt an der Ecke fest, während nach und nach überwältigende Angst in ihm emporstieg.
    Die Welt um ihn her drehte sich mit schwindelerregender Schnelligkeit, drehte sich in immer engeren Spiralen, zog seinen Geist mit sich und drohte, ihn von allem fortzureißen, was ihn in der Wirklichkeit verankerte. Schneller und schneller. Tiefer und tiefer.
    Spiralen. Saetan hatte ihm etwas von Spiralen erzählt, aber er konnte nichts sehen, konnte nicht atmen, konnte nicht denken.
    Sein Schild zerbrach, und sämtliche darin befindliche Energie wurde in die Spirale hinabgesogen. Als Nächstes wurde der Hexensturm hineingezogen, die mentalen Fäden rissen, als der Sturm versuchte, sich an dem Gebäude zu verankern.
    Schneller und schneller, tiefer und tiefer. Dann erhob sich die dunkle Macht aus dem Abgrund und brauste dröhnend mit einer Geschwindigkeit an ihm vorbei, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Lucivar riss sich von der Mauer los und taumelte auf Jaenelle zu. Hinunter. Er musste sie auf den Boden hinunterziehen, musste sie …
    Plop.
    Plop. Plop.
    Plop. Plop. Plop. Plop.

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