Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
Winkel eines Ladens in irgendwelche Kisten gestopft gefunden, ohne dass ein Bewahrungszauber darauf gelegen hätte.« Verärgerte schüttelte sie den Kopf, bevor sie ihm ein Notenheft reichte. »Kannst du das hier spielen? «
Saetan ließ sich auf dem Klavierhocker nieder und schlug die Noten auf. Das Papier war vergilbt und brüchig, die Notenschrift verblasst. Er musste sich anstrengen, um sie im
flackernden Schein der Kerzen lesen zu können. Leise ging er die Stücke durch, wobei er die Noten mit den Fingern nachfuhr, ohne das Papier zu berühren. »Ich denke, ich werde mich schon durcharbeiten können.«
Jaenelle stellte sich hinter einen der Kerzenständer und verschmolz mit den Schatten.
Nach den einleitenden Noten hielt er inne. Seltsame Musik. Ihm nicht vertraut und dennoch … Er setzte erneut an.
Ihre Stimme erhob sich zu einem fließenden Klang, stieg immer weiter in die Höhe, wurde dann wieder tiefer und kreiste spiralförmig um die Noten, die er spielte. Seine Seele stieg zusammen mit der Melodie auf und nieder und kreiste in Spiralen. Ein Lied des Leids, des Todes und des Genesens. In der Alten Sprache. Ein Lied der Trauer … um beide Opfer einer Hinrichtung. Seltsame Musik. Uralte Musik, die einem die Seele versengte und das Herz entzweiriss.
Hexenmusik. Nein, mehr als das. Die Lieder von Hexe .
Saetan wusste nicht zu sagen, wann er zu spielen aufgehört hatte, wann seine zitternden Hände die Tasten nicht länger fanden, und seine Tränen ihn blind machten. Jene Stimme schlug ihn völlig in ihren Bann, während sie die Erinnerung an die Hinrichtung wie eine Lanze durchbohrte und eine frisch blutende Wund zurückließ – um sie anschließend zu heilen.
Mephis, du hattest Recht.
»Saetan?«
Er blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten und holte bebend Luft. »Es tut mir Leid, Hexenkind. Ich … war darauf nicht vorbereitet.«
Jaenelle breitete die Arme aus.
Er taumelte um das Klavier herum und sehnte sich nach nichts so sehr wie nach ihrer reinen, liebenden Umarmung. Menzar war eine frische Narbe auf seiner Seele, die für immer bleiben würde – wie so viele andere. Doch er hatte keine Angst mehr davor, Jaenelle zu halten, und hegte keinerlei Zweifel, welche Art Liebe er für sie empfand.
Lange streichelte er ihr über das Haar, bevor er den Mut
aufbrachte, sie zu fragen: »Woher wusstest du von dieser Musik?«
Sie drückte das Gesicht fester an seine Schulter. Schließlich flüsterte sie: »Sie ist ein Teil von mir.«
Er konnte spüren, wie sie sich innerlich bereits wieder zurückzog und auf Distanz zu ihm gehen wollte.
Nein, meine Königin. Du sagst zwar voller Überzeugung »Sie ist ein Teil von mir«, aber dein Rückzug schreit förmlich heraus, dass du fürchtest, nicht akzeptiert zu werden. Das werde ich nicht zulassen.
Zärtlich strich er ihr über die Nase. »Weißt du, was du noch bist?«
»Was?«
»Eine sehr müde kleine Hexe.«
Sie lachte und musste ein Gähnen unterdrücken. »Da Mephis bei Tageslicht so schnell ermattet, waren wir meist erst nach Sonnenuntergang unterwegs, aber ich wollte die Tage nicht vergeuden und …« Erneut gähnte sie.
»Ab und an hast du hoffentlich auch geschlafen, oder?«
»Mephis hat mir immer wieder ein Nickerchen verordnet«, antwortete sie schmollend. »Er meinte, sonst würde er nie zur Ruhe kommen. Ich wusste gar nicht, dass Dämonen sich ausruhen müssen.«
Er zog es vor, ihr eine Antwort schuldig zu bleiben.
Jaenelle schlief schon halb, als er sie auf ihr Zimmer führte. Er zog ihr die Schuhe und Strümpfe aus, doch sie versicherte ihm, dass sie noch wach genug sei, um sich selbst bettfertig zu machen. Noch bevor er die Schlafzimmertür erreicht hatte, war sie eingeschlafen.
Er hingegen war hellwach und ruhelos.
Saetan schlüpfte durch einen der Hinterausgänge der Burg, wanderte über den sorgfältig zurechtgestutzten Rasen und eine breite steinerne Treppe hinab, von wo aus er den Pfaden folgte, die in den wilder wuchernden Teil des Gartens führten. Blätter flüsterten in der leichten Brise. Zwei Meter vor ihm hoppelte ein Kaninchen gemächlich und nicht sonderlich besorgt über den Weg.
»Du solltest dich ein wenig mehr in Acht nehmen, Langohr«, sagte Saetan leise. »Du oder ein anderes Mitglied deiner Familie hat Mrs. Beales junge Bohnen gefressen. Wenn ihr meiner wackeren Köchin über den Weg lauft, endet ihr eines Abends als Hauptgang.«
Das Kaninchen ließ die Löffel rotieren, bevor es unter einem Feuerbusch
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