Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
seine Füße hatten noch nicht den Boden berührt, da wusste er bereits, dass die beiden nicht dort waren.
»Lucivar!«
Lucivar wandte sich um und erblickte Hallevar, der auf ihn zugeeilt kam. Aus dem Augenwinkel sah er Falonar und Kohlvar, die aus dem Gemeinschaftshorst traten. Ein Gemeinschaftshorst war in etwa das, was in anderen Kulturen Wirtshaus oder Taverne genannt wurde. Beide Männer hielten auf Hallevar zu, als sie die Aufregung in seiner Stimme vernahmen.
»Hast du den Kleinen gesehen, Palanar?«, wollte Hallevar wissen.
Bevor Lucivar etwas erwidern konnte, fuhr Falonar dazwischen: »Hast du ihn nicht losgeschickt, um Lady Luthvian zum Bergfried zu geleiten?«
»Ja«, meinte Hallevar grimmig. »Und ich habe ihm aufgetragen, seinen Hintern danach unverzüglich wieder hierher zu bewegen.« Er sah Lucivar an. »Ich habe mich gefragt, ob er im Bergfried herumtrödelt, um sich vor seinen Aufgaben zu drücken.«
»Palanar ist nicht im Bergfried eingetroffen. Luthvian ebenfalls nicht. Und Marian und Daemon auch nicht«, fügte Lucivar betroffen hinzu.
Die anderen Männer versteiften sich.
»Ich habe ihn gleich heute Morgen losgesandt«, sagte Hallevar.
»Gibt es in deinem Horst irgendein Anzeichen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht?«, fragte Falonar mit schneidender Stimme.
»Nein«, antwortete Lucivar. »Die Taschen waren gepackt und stehen an der Tür.« Er stieß einen leisen, heftigen Fluch aus. »Wo im Namen der Hölle ist sie bloß hingegangen?«
»Sie wollte zu Lady Luthvian«, erklang eine junge weibliche Stimme.
Sämtliche Männer drehten sich um und starrten entgeistert Jillian an, Nurians jüngere Schwester.
Sie wirkte, als wolle sie sich am liebsten auf der Stelle zurück in ihren Horst flüchten.
Hallevar wies mit dem Finger auf eine Stelle, die sich knapp einen Meter von ihm entfernt befand. »Hierher, kleine Kriegerin«, sagte er streng.
Verängstigt schlich Jillian zu der Stelle und sah die gewaltigen Krieger an, die sie umringten. Dann senkte sie den Blick zu Boden.
»Erstatte Bericht«, befahl Hallevar in dem Tonfall, der zwar aufmunternd klang, aber jeden jungen Mann, der bei ihm ausgebildet worden war, Haltung annehmen ließ.
Auf Jillian hatten seine Worte die gleiche Wirkung. Sie stand aufrecht da, ihre ganze Aufmerksamkeit galt Hallevar. »Ich habe heute Morgen meinen Konditionslauf absolviert.« Sie wartete, bis Hallevar zustimmend nickte. »Und ich dachte mir, ich nehme den Weg zu Prinz Yaslanas Haus, weil ich mir dachte, na ja, dass Lady Marian vielleicht ein wenig Hilfe mit Daemonar gebrauchen könnte. Ich hätte ein wenig auf ihn aufpassen können, während sie die Hausarbeit erledigte. Es war ja nicht so, dass ich mich vor dem Rest meiner Übungen drücken wollte, denn auf Daemonar aufzupassen, ist Anstrengung genug.«
Obwohl Lucivar sich Sorgen machte, konnte er sich kaum ein Lächeln verbeißen.
»Ich hatte den Horst beinahe erreicht, da sah ich Marian an der Tür stehen und sich mit Palanar unterhalten. Er sah … krank aus. Er schwitzte stark und … ich weiß nicht recht. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so aussah. Und dann zuckte Marian zusammen, als habe jemand ihr eine Ohrfeige verpasst, dabei hatte Palanar sie nicht einmal berührt. Er meinte: ›Nimm den Jungen mit.‹ Sie ging nach drinnen und kehrte kurz darauf mit Daemonar zurück. Als Daemonar Palanar erblickte, fing er zu schreien an. Du weißt schon, in der Lautstärke, die Daemonar beherrscht, wenn ihm etwas nicht passt.«
Lucivar nickte. Auf seiner Haut bildete sich kalter Schweiß. »Palanar packte Marian am Arm. Er sagte immer wieder: ›Es tut mir Leid, es tut mir Leid.‹«
»Hat er dich gesehen?«, wollte Lucivar eine Spur zu gelassen wissen.
Jillian schüttelte den Kopf. »Aber Marian. Sie sah mich direkt an, auf ihrem Gesicht lag der gleiche elende Ausdruck wie auf Palanars, und sie sagte: ›Zu Luthvian.‹ Dann brachen sie auf.« Nachdem sie ihren Bericht beendet hatte, schwand ihr Selbstvertrauen, als sie zu den finster dreinblickenden Männern aufschaute.
»Und du hast niemanden davon unterrichtet?«, fragte Lucivar.
Kreidebleich schüttelte Jillian erneut den Kopf. »Ich … Nurian
war nicht zu Hause, als ich zurückkehrte, und … ich wusste nicht, dass ich jemanden davon hätte unterrichten sollen«, beendete sie den Satz kaum hörbar.
Außerdem hatte sie gezögert, sich an einen der Krieger zu wenden, bloß um dann beiläufig abgefertigt zu werden, weil sie
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