Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
Niemand würde ihr abnehmen, dass sie nur eine zerbrochene Hexe war, die ziellos umherwanderte. Dafür hatte sie sich zu weit vom Lager entfernt. Doch sie musste versuchen, diesen Mistkerl zu überzeugen! Andernfalls würde sie ihn heimlich und leise umbringen müssen. Wenn sie sich auf einen Kampf einließ und gezwungen wäre, ihr graues Juwel zu benutzen, würde Daemon wissen, dass sie in Schwierigkeiten geraten war, und seine restlichen Pläne ändern. Und das würde den beiden Ludern offenbaren, dass man sie getäuscht hatte, und sie würden in den Krieg ziehen.
»Die Hütte hat sich verlaufen.« Sie machte eine unbestimmte Handbewegung.
Er kam näher, den Blick voll argwöhnischem Zweifel. »Antworte mir gefälligst, Miststück! Was treibst du hier draußen?«
»Die Hütte hat sich verlaufen«, wiederholte sie und gab sich Mühe, Tersas geistesabwesende Art nachzuahmen. Sie wies in das Dunkel. »Sie sollte bei dem verschwommenen Pfosten sein, aber sie ist fortgelaufen.«
Der Wachposten blickte in die Richtung, in die sie deutete. »Das ist ein Baum , du dummes Luder. Jetzt …« Er hielt inne und ließ den Blick lüstern über ihren Körper schweifen. Dann lächelte er. Nachdem er sich umgesehen hatte, um sich zu vergewissern, dass niemand in der Nähe war, streckte er die Hand nach Surreal aus.
Sie wich kopfschüttelnd einen Schritt zurück und legte sich schützend eine Hand auf den Unterleib. »Kann keinen anderen Mann berühren. Er wird wütend auf mich werden, wenn ich einen anderen Mann berühre.«
Der Wächter schenkte ihr ein boshaftes Grinsen. »Nun, er muss es ja nie erfahren, oder?«
Surreal zögerte. Das würde sie natürlich nahe genug an ihn herankommen lassen, um ihm ein Messer zwischen die Rippen
zu rammen, doch es würde sie auch kostbare Zeit kosten, die sie nicht hatte. Also musste sie die Kraft des grauen Juwels nutzen, um ihn schnell umzubringen – und möge die Dunkelheit Sadi helfen, bei dem, was immer danach im Lager geschehen würde.
*Runter, Surreal!*
Sie konnte spüren, wie Hinterläufe an ihrem Rücken vorbeistrichen, als sie sich duckte.
Einen Augenblick später lag der Wächter mit zerfetzter Kehle tot vor ihr.
Ein Sichtschutz ließ nach und gab den Blick auf den blutverschmierten Wolf frei.
»Graufang?«, flüsterte Surreal. Sie berührte das Juwel, das unter ihrem Hemd baumelte. Weil es seine Bestimmung ist, Grau zu fangen … Der Höllenfürst hatte Recht gehabt.
Sie ging um den toten Wachposten herum und streckte die Hand nach dem Wolf aus.
*Warte*, meinte Graufang.
Da erst erblickte sie die kleine goldene Erhebung zwischen seinen Ohren. Ein Wesen erhob sich, schwebte zu dem nächsten Umgrenzungspfosten und streckte sich, bis acht Beine sichtbar wurden.
Entgeistert starrte Surreal die kleine goldene Spinne an, die eifrig ein einfaches Verworrenes Netz zwischen zwei der Pfosten spann. Als sie es fertig gestellt hatte, ertastete sie ihren Weg zur Netzmitte.
Der Wächter verschwand. Auf dem Boden war keine einzige Blutspur mehr zu sehen.
*Jetzt werden sie ihn nicht finden*, erklärte Graufang. *Sie können nur sehen, was das Netz sie sehen lässt.* Behutsam schloss er die Zähne um Surreals Arm und begann an ihr zu zerren.
»Was ist mit der Spinne?«
*Sie wird bleiben und das Netz bewachen. Beeil dich, Surreal.*
Sie schüttelte ihn ab. Es würde leichter sein, Schritt mit ihm zu halten, wenn sie nicht geduckt laufen musste. Bei ihrer
nächsten Frage bediente sie sich eines Kommunikationsfadens. * Was machst du hier? Wie bist du an den Umgrenzungspfosten vorbeigekommen?*
*Menschen sind dumm. Der Wildwechsel ist unbewacht. Auf dem Wechsel sind zu viele Beine unterwegs. Die Menschen sind es leid geworden, jedes Mal die Zähne zu fletschen, weil es sich immer nur um Fleisch handelte.*
*Wie hast du von dem Wildwechsel erfahren? Wie ist es dir gelungen, mich zu finden?*
*Die Traumweberin riet mir, die Signatur der zweibeinigen Katze wittern zu lernen und seinen Spuren zu folgen. Er ist ein guter Jäger*, fügte Graufang beifällig hinzu. *Er hat wirklich viel Katzenhaftes an sich. Kaelas sagt das.*
Sadi mit seiner katzenhaften Geschmeidigkeit, die selbst den verwandten Wesen auffiel. Graufang war Sadi gefolgt. *Wer ist diese Weberin?* Sie erhielt kurzzeitig das Bild einer gewaltigen goldenen Spinne – und strauchelte.
Dieser verfluchte, närrische Wolf! Es war schlimm genug, dass er Arachna besucht und eine kleine Spinne von dort mitgebracht hatte. Doch mit
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