Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
Kein Wunder, dass sie ihm angeboten hatte, zu bleiben. Das Bett war so groß, dass ihr eine zweite Person darin gar nicht auffallen würde.
Eine Minute später legte sie sich ebenfalls ins Bett, wobei sie darauf achtete, auf ihrer Seite zu bleiben. Als sie die Kerzen löschte, murmelte sie: »Gute Nacht, Daemon.«
Lange Zeit lag er im Dunkeln und lauschte ihren Atemzügen. Er war davon überzeugt, dass sie ebenfalls nicht schlief.
Letzten Endes hüllten das warme Bett, das Gemurmel des Brunnens unten im Garten und ihr Duft ihn ein, und er fiel in einen tiefen Schlaf.
Leise, beinahe verstohlene Geräusche weckten ihn.
Daemon schlug die Augen auf.
Dunkelheit. Wirbelnder Nebel.
Er stützte sich auf einen Ellbogen und sah sich um. Sie stand neben dem Altar. Die goldene Mähne, die nicht ganz Haar und nicht ganz Fell war. Die leicht spitz zulaufenden Ohren. Der dünne Fellstreifen, der ihre Wirbelsäule hinab bis zu dem Rehkitzschweif entlang lief, der sich ruckartig über ihrem Gesäß hin- und herbewegte. Die menschlichen Beine, an denen sich Hufe befanden. Die Hände mit den eingezogenen Krallen.
Hexe. Der lebende Mythos. Fleisch gewordene Träume.
Er war wieder an dem nebligen Ort, tief im Abgrund. Der Ort, an dem …
Langsam erhob er sich. Er bewegte sich vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, als er um den Altar herumging, bis er ihr gegenüberstand.
Auf dem Altar befand sich ein Kristallkelch, den hauchdünne Risse durchzogen. Während er schweigend zusah, griff sie nach einer Kristallscherbe und setzte sie an die richtige Stelle.
Etwas in seinem Innern regte sich. Als er den Kelch genauer betrachtete, erkannte er, dass es sich um seinen eigenen, zerborstenen Geist handelte.
Ihm fielen drei weitere winzige Splitter auf. Als er die Hand nach einem ausstreckte, versetzte sie ihm einen Klaps.
»Hast du auch nur die leiseste Ahnung, wie lange ich suchen musste, um die hier zu finden?«, fauchte sie ihn an.
Sie drehte den Kelch und fügte einen weiteren winzigen Splitter ein.
Der Nebel drehte sich, tanzte, wirbelte umher.
Er fiel, fiel, fiel in den Abgrund. Sein Geist zerbarst. Das Erwachen an dem nebligen Ort. Der erste Anblick von Jaenelle als Hexe , wie sie seinen Kristallkelch wieder zusammensetzte.
Ein weiterer Splitter kam an seinen ursprünglichen Platz.
Das schmale Bett, an dessen Enden Stricke angebracht waren, mit denen sich Hände und Füße fesseln ließen – das Bett aus Briarwood. Ein üppiges Bett mit seidenen Laken. Eine verführerische Falle aus Liebe und Lügen und der Wahrheit – eine Falle, die ein Kind retten sollte. Der Sadist flüsterte, dass sie den Köder schlucken würde, weil er selbst , in all seiner männlichen sexuellen Pracht, der Köder war.
Der letzte Splitter fand seinen angestammten Platz.
Die geistige Verbindung mit Saetan, nachdem er Jaenelle überredet hatte, zur Höhe der roten Juwelen aufzusteigen. Gemeinsam zwangen sie Jaenelle, ihren gemarterten, blutenden Körper zu heilen. Jaenelles panische Angst, als die Männer aus Briarwood versuchten, gegen die Abwehrmechanismen anzukämpfen, die Surreal in den Gängen errichtet hatte, die zu
dem Altar führten. Cassandra, wie sie das Tor zwischen den Reichen öffnete und Jaenelle fortbrachte.
Sein Kristallkelch glühte und wurde immer wärmer, da Hexe sämtliche Risse mit ihrer dunklen Kraft umhüllte und versiegelte.
Nun, da die Lücken geschlossen waren, strömten die Erinnerungen wieder auf ihn ein, und endlich wusste er genau, was sich vor dreizehn Jahren an Alexandras Altar zugetragen hatte. Endlich wusste er mit Gewissheit, was er getan hatte – und was nicht.
Er atmete tief und langsam durch.
Sie warf ihm einen Blick zu. In ihren uralten Augen kämpfte Scheu mit Wildheit und wacher Intelligenz. »Die fehlenden Scherben verursachten Schwachstellen, die den Kelch zerbrechlich machten. Jetzt sollte es dir wieder gut gehen.«
»Danke.«
»Ich will deine Dankbarkeit nicht«, fuhr sie ihn an.
Daemon betrachtete Hexe eingehend und öffnete seine inneren Barrieren weit genug, um ihre Gefühle zu ertasten. Der Schmerz in ihrem Innern überraschte ihn.
»Was willst du dann?«, wollte er leise wissen.
Nervös strich sie über den Stiel des Kelches. Er fragte sich, ob sie ahnte, dass er die zärtliche Berührung spüren konnte. Außerdem fragte er sich, ob sie die geringste Vorstellung davon hatte, was diese Liebkosung mit ihm anstellte. Er begann um den Altar herumzugehen, wobei er mit den Fingern leicht
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