Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
Glas und ließ sich auf dem Sofa nieder, wobei er den Kopf schräg legte, um den Titel des Buches zu lesen, das zwischen ihnen lag. »Leihst du mir das, wenn du es ausgelesen hast?«
»Warum?«
Oh ja! Seine Tochter war zurück. »Ein Vater sollte wissen, wofür sich seine Kinder interessieren.«
»Wieso fragst du dann nicht Lucivar, was er liest?«
»Weil Lucivar so gut wie nie ein Buch anrührt, geschweige denn eines liest. Wenn er sich tatsächlich einmal für einen Roman interessieren sollte, würde jeglicher Kommentar meinerseits ihn nur peinlich berühren, sodass er es schleunigst wieder weglegen und mindestens die nächsten zehn Jahre zu keinem Buch mehr greifen würde.«
»Du könntest ihn darauf hinweisen, dass es in manchen der Geschichten auch um Sex geht«, meinte Jaenelle trocken.
Ein Thema, das seinen Sohn sogar noch weniger ansprach als seine Tochter.
Da ertönte ein leiser Glockenschlag. Kurz darauf standen auf dem kleinen Tisch auf der anderen Seite des Wohnzimmers ein Korb mit frischem Brot, eine kleine Schale mit frisch geschlagener Butter und zwei Schüsseln dampfende Suppe.
Dankbar für die Unterbrechung, reichte Saetan Jaenelle die Hand und führte sie zu dem Tisch. Als Hüter benötigte er eigentlich nichts außer Yarbarah und ab und an einer geringen Menge frischen Blutes. Doch dank der Stärkungstränke, die Jaenelle ihm braute, war er wieder in der Lage, Speisen zu sich zu nehmen und das Essen zu genießen. Außerdem würde Jaenelle gewiss mehr essen, wenn ihr jemand Gesellschaft leistete.
Zu seiner Erleichterung machte sie sich mit gesundem Appetit über ihr Essen her - was seinen Entschluss noch festigte, ihr nicht zu erzählen, weswegen Marian von jenen eyrischen Männern überfallen worden war, sofern Jaenelle nicht ausdrücklich danach fragte.
Jaenelle richtete das Wort erst wieder an ihn, als sie die Suppe aufgegessen und schon zur Hälfte die Fleischpastete verschlungen hatte, die der Vorspeise gefolgt war.
»Ich habe mir gedacht«, stieß sie so zögerlich hervor, dass er sie scharf beobachtete, »falls Marian nicht nach Askavi in Terreille zurückkehren möchte, wird sie ein neues Zuhause
brauchen. Also habe ich mir überlegt, sie könnte doch eine Zeit lang bei Luthvian wohnen. Marian könnte ihr ein wenig bei der Hausarbeit helfen, während sie sich erholt und Kräfte sammelt.«
»Warum Luthvian?« Saetan zwang sich, unbeteiligt zu klingen.
»Sie ist die einzige Eyrierin in Ebon Rih. Sie könnte Marian dabei helfen, sich an das Leben hier zu gewöhnen. Außerdem ist sie Heilerin und könnte von daher Marians Genesung im Auge behalten.«
Er richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf sein Essen und verkniff sich sämtliche Bemerkungen, die ihm auf der Zunge lagen. Seine Beziehung zu Luthvian, Lucivars Mutter, war zu kompliziert und feindselig, was sich in jeglichem Kommentar seinerseits widerspiegeln würde. Doch er konnte nachvollziehen, weshalb Jaenelle davon ausging, dass es für Marian im Moment leichter sein würde, bei einer anderen Frau zu wohnen. Vielleicht hatte sie Recht. Also behielt er seine Meinung für sich.
»Wenn es nicht funktioniert, werde ich einen anderen Ort für sie finden«, sagte Jaenelle.
»Dann ist es abgemacht.« Er fühlte ein gewisses Unbehagen, sagte jedoch nichts. Jedenfalls noch nicht. »Tja, Hexenkind, dann erzähl mir doch von dem Buch, das du gerade liest.«
Sie wich ihm aus, doch er ließ nicht locker. Die beiden lie ßen den Abend mit einer amüsanten Stunde ausklingen, in der sie über den Wert verschiedener Literaturformen stritten. Auf diese Weise wurden sie von dem Blutbad und der mörderischen Wut abgelenkt, mit denen der Tag begonnen hatte.
4
Als das Zwielicht immer dunkler wurde, und die Nacht hereinbrach, stand Marian hinter Luthvians Haus und genoss
eine ruhige Minute, in der sie nichts zu tun hatte. Sie hatte Rückenschmerzen und machte sich Sorgen, weil Lady Angelline darauf bestanden hatte, dass sie sich zwei Wochen lang schonte und ihre Muskeln, die noch nicht richtig geheilt waren, auf keinen Fall überstrapazierte. Doch jedes Mal, wenn sie die Schmerzen in ihrem Rücken oder ihren Beinen erwähnte, tat Luthvian ihre Sorge ab und deutete an - wenn sie es ihr nicht direkt ins Gesicht sagte -, dass Marian nur keine Lust habe, sich Kost und Logis zu verdienen. Diese abfällige Meinung tat weh. Seitdem sie bei Luthvian eingezogen war, hatte sie nichts getan außer zu waschen, schrubben, polieren und flicken. Und alles,
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