Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
stand gebückt da, um zu versuchen, dem Schmerz entgegenzuwirken, der sie innerlich verkrampfen ließ.
Sie hatte gehofft, Kaeleer halte das Versprechen eines neuen und besseren Lebens für sie bereit. Doch nichts hatte sich zum Besseren gewandt. Wenn überhaupt, so war das Leben vor ihr noch trostloser als jenes, welches sie hinter sich gelassen hatte.
5
Lucivar glitt auf den Hof vor seinem Horst zu. Er war froh, wieder zu Hause zu sein. Die letzte Woche über hatte er Dörfer in Ebon Rih besucht, hatte sich mit den Königinnen der rihlanischen Blutdörfer Doun und Agio getroffen und mit den Ratsmitgliedern gesprochen, die den größeren Landendörfern vorstanden. Diejenigen Rihlaner, die nicht dem Blut angehörten, hatten Angst vor ihm - und das mit gutem Grund. Die Angehörigen des Blutes mochten in jedem Volk eine Minderheit darstellen, doch die Macht, die ihnen innewohnte, ließ sie zu den Herrschern und Hütern der Reiche werden. Meist achteten die Angehörigen des Blutes nicht weiter auf die Landen, und die Landen hielten sich von den Angehörigen des Blutes fern. Wenn man die Dorfräte daran erinnerte, dass sie nun einem Kriegerprinzen Rechenschaft schuldeten, der Schwarzgrau trug, bereitete man ihnen schlaflose Nächte.
Beim Feuer der Hölle! Er schlief auch nicht besser. Den Großteil seines Lebens hatte er damit verbracht, gegen die Autorität und Herrschaftsansprüche anderer anzukämpfen. Nun war er die Autorität, die in diesem Gebiet die Grenzen setzte und sich jedem in seinem Territorium entgegenstellen würde, der es wagte, eine solche Grenze zu übertreten.
Er war sich nicht sicher, ob es ihm gefiel, auf dieser Seite des Gesetzes zu stehen, aber er würde sich an die Förmlichkeit gewöhnen, mit der man ihn an den Höfen der Königinnen in Doun und Agio behandelte. Zumindest hatte sich in Riada, dem Dorf, das dem Schwarzen Askavi am nächsten lag und das außerdem so etwas wie sein Heimatdorf war, nichts an dem tief empfundenen Respekt geändert, den die Bewohner ihm zollten, seitdem er in Kaeleer angekommen war. Jedenfalls nicht viel. Selbstverständlich hatte man nun ein gewisses Interesse an ihm, denn das, was er tat, wirkte sich auf das Leben aller aus.
Deshalb fragte er sich, weswegen Merry so nervös gewirkt hatte, als er ihre Taverne besucht hatte. Er wollte lediglich sehen,
was an diesem Abend auf der Karte stand, sodass er etwas zu essen mit nach Hause nehmen konnte.
»Essen für zwei, Prinz Yaslana?«, hatte Merry gefragt. »Oder für einen hungrigen Mann«, hatte er grinsend geantwortet.
Warum hatte sie sein Lächeln nicht erwidert, als sie den Essenskorb für ihn vorbereitet hatte?
Als er sanft auf den Steinplatten seines Hofs landete, verschickte er einen Gedanken auf einem mentalen Speerfaden: *Tassle?*
*Yas.*
Der Wolf klang unzufrieden, beinahe gereizt.
*Was ist los?*
Eine Pause. Dann: *Ich mag die Frau nicht. Ich will nicht mit ihr befreundet sein.*
Wut stieg in Lucivar empor, während er die Eingangstür seines Horsts betrachtete. Einen Fingerbreit über seiner Haut bildete sich ein schwarzgrauer Schutzschild, eine instinktive Reaktion auf eine Situation, in der es sicherer war, sich gegen einen möglichen Angriff zu schützen. Auf diese Weise reagieren zu müssen, bevor er sein eigenes Zuhause betrat, ver ärgerte ihn so sehr, dass der kleinste Anlass genügen würde, um ihn in den Blutrausch zu versetzen.
Er stieß die Tür auf und betrat den Horst. Die weibliche mentale Signatur traf ihn mit einem Schlag, sobald er die Schwelle überschritten hatte. Er kannte diese Signatur. Hasste die junge Hexe, zu der sie gehörte.
Roxie.
Sie war eine von Luthvians Schülerinnen gewesen, als er nach Kaeleer gekommen war - eine Rihlanerin aus Doun, deren Familie aristokratisch genug war, um Roxie das Gefühl zu geben, dass sie tun und lassen konnte, was sie wollte. Sie benutzte ihre Liebhaber, wie andere Frauen Taschentücher. Sie beschmutzte sie und warf sie dann weg. Doch vom ersten Tag, an dem sie ihm begegnet war, war es ihr Ziel gewesen, ihn in die Enge zu treiben und dazu zu bringen, mit ihr ins Bett zu gehen. Das Luder hatte nie begriffen, dass er alles andere
getan hätte, als mit ihr zu schlafen, wenn es ihr tatsächlich gelungen wäre, ihn in die Enge zu treiben.
Und jetzt war sie hier. In seinem Zuhause.
Er bewegte sich geräuschlos auf die Schlafzimmertür zu. Der breite Korridor stank nach ihr.
Als er die Tür aufstieß und in das Schlafzimmer trat, hob Roxie die
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