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Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht

Titel: Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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die Kunst betraf, hätte einem Mann mit weniger stark ausgeprägtem Willen längst sämtliche Nerven gekostet.
    Doch genau diese Tatenlosigkeit ärgerte Lucivar. Er brauchte ein Schlachtfeld, auf dem er den Gefühlen freien Lauf lassen konnte, die in ihm tobten - und sein Vater war in dieser Hinsicht alles andere als entgegenkommend. Also machte er sich daran, selbst ein Schlachtfeld zu erschaffen.
    »Es funktioniert nicht«, stieß er knurrend hervor, wobei er vor Saetans Schreibtisch auf- und abging. »Es funktioniert einfach nicht.«
    »Was funktioniert nicht?«
    »Marian.«
    Saetan seufzte, doch es klang ebenso ärgerlich wie ergeben. »Die Frau hatte kaum Gelegenheit auszupacken. Was hat sie denn …«
    »Ich ertrage es nicht!«, rief Lucivar. »Es ist mein Haus. Ich will das nicht in meinem Zuhause.« Er blieb stehen und fuhr sich mit einer Hand durch das Haar. »Sie bringt meine wilde Seite zum Vorschein.«
    »Wieso?«
    »Weil sie Angst hat! Sie hat Angst vor Tassle …« Es schmerzte ihn, es zu sagen. »… sie hat Angst vor mir.«
    »Sie hat allen Grund, Angst vor dir zu haben.«
    Sieh an! Hier tat sich ein Schlachtfeld auf, mit einem Gegner, der nicht furchtsam vor ihm zurückschrecken würde. Lucivars Stimme nahm eine leise, tödliche Note an: »Was willst du damit sagen?«

    »Weißt du, wie Marian nach Kaeleer kam?«, wollte Saetan wissen.
    »Jaenelle hat sie hergebracht.« Noch ein Schlachtfeld! »Und was im Namen der Hölle hatte Jaenelle in Askavi in Terreille zu suchen?«, brüllte er.
    »Sie eilte einer Haushexe zu Hilfe.«
    Da hörte Lucivar es. In Saetans gelassen ausgesprochenen Worten schwang nicht Ärger mit, sondern Wut. Also bezähmte er sein eigenes Temperament, da er sich nicht länger sicher war, ob er es mit Saetan, seinem Vater, oder mit Saetan, dem Höllenfürsten, zu tun hatte. Zwar verstand er nicht ganz, warum Andulvar Yaslana, der eyrische Kriegerprinz, der Schwarzgrau trug und seit über fünfzigtausend Jahren Saetans engster Freund war, ihm ans Herz gelegt hatte, vorsichtig zu sein, wenn er es mit dem Höllenfürsten zu tun hatte. Doch dass der dämonentote Prinz es für nötig erachtete, diese Unterscheidung zu treffen, war Grund genug für ihn, ebenfalls vorsichtig zu sein.
    Saetan erhob sich, umrundete seinen Schreibtisch und lehnte sich an die Vorderseite. Dass er nicht hinter dem Schreibtisch blieb, sondern diese informelle Haltung einnahm, signalisierte normalerweise eine Diskussion unter Gleichberechtigten.
    »Marians Vater ist ein Krieger, der als Wächter im Fünften Kreis einer Königin dient«, sagte Saetan, dessen Stimme immer noch leise klang - und voll unterdrückter Wut war. »Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, besitzt er weder das Hirn noch das Rückgrat oder den Mut, um je höher aufzusteigen. Aber er macht sich selbst etwas vor und redet sich ein, dass er nicht im Ersten oder Zweiten Kreis dient, läge an seinen mangelnden sozialen Verbindungen, anstatt an seiner eigenen Unfähigkeit. Er gibt sich gerne mit den adeligen Männern bei Hofe ab und frönt dem Glücksspiel - und manche von ihnen tolerieren seine Gesellschaft, weil sie seine Erwartungen amüsant finden. Außerdem gewinnen sie jedes Mal, wenn sie ihm erlauben, mit ihnen zu spielen, liebend gerne den Hungerlohn, den er verdient. Doch sie haben
ihm niemals etwas geliehen, weil sie schnell herausfanden, dass er niemals in der Lage wäre, es ihnen zurückzuzahlen.
    Doch eines Abends vor ein paar Wochen ließen sie ihn weiterspielen, obwohl er längst alle Münzen verloren hatte, die er an den Spieltisch gebracht hatte. Sie füllten ihm immer wieder das Glas nach und ließen ihn spielen, weil er etwas hatte, das sie haben wollten. In letzter Zeit hatte er mit seinen jüngeren Töchtern angegeben, bei denen er davon ausging, dass hervorragende Hexen aus ihnen würden, sobald sie ihre Ausbildung zur Heilerin und Priesterin abgeschlossen hätten. Doch die älteste Tochter betrachtete er als Schandfleck. Eine Hexe, deren Fähigkeiten niemals etwas zum Status der Familie beitragen würden, denn eine Haushexe macht …«
    »Nichts Wichtiges«, murmelte Lucivar und musste daran denken, wie niedergeschlagen Marian gewirkt hatte, als ihr diese Worte über die Lippen gekommen waren.
    Saetan nickte. »Das war genau, was diese Adeligen wollten - eine Hexe, die nichts Wichtiges tat, eine Hexe, deren Verschwinden niemandem bei Hofe auffallen würde.« Seine Hände umklammerten die Kante des Ebenholzschreibtisches.

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