Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
ihm vorübergehen musste.
Er beobachtete, wie sie sich in dem Zimmer umsah, und meinte: »Die Haushälterin meines Vaters hat die Möbel vorbeigebracht und das Zimmer eingerichtet. Es gibt ein eigenes Badezimmer - hinter der Tür dort drüben. Ich gehe davon aus, dass du alles finden wirst, was du benötigst.« Zumindest für diese eine Nacht.
Marian sagte noch immer nichts. Sie wirkte verletzt und erschöpft. Das Einzige, was er tun konnte, um ihr zu helfen, war, sich zurückzuziehen.
»Gute Nacht, Lady.« Er schloss die Tür und starrte sie eine Zeit lang an. Verflucht, Katze. Diesmal hast du mir wirklich einen Tritt in die Magengrube versetzt.
Doch als er zurück ins Freie ging, um Tassle zu sagen, dass er den Horst betreten könne, hatte er das unangenehme Gefühl, dass die Pein, die auf ihn zukam, nicht unbedingt die Magengegend betraf.
Marian starrte die Tür an. Kein Schloss. Keine Möglichkeit, um jemanden daran zu hindern, nachts hereinzukommen, um …
Sie konnte das Zimmer mit einem purpurnen Schutzschild versehen, doch das würde ihn wahrscheinlich nur beleidigen - oder amüsieren. Es würde ihn bestimmt nicht aufhalten, wenn er …
Ein eiskalter Schauder überlief sie. Dann ballte sie die Hände zu Fäusten, bis es wehtat. So durfte sie nicht denken. Ihre Angst war schon ein lebendes Ding, das sich in ihrem Inneren regte. Wenn sie ihren Aufenthalt hier überleben wollte, musste sie dagegen ankämpfen, und ihrer Furcht nicht noch Nahrung geben.
Sie rief ihr Nachthemd herbei - ein weiteres Kleidungsstück, das Luthvian hatte wegwerfen wollen, und das sie stattdessen ihr gegeben hatte. Auch darüber würde sie nicht weiter nachdenken. Sie würde aufhören zu denken. Sie konnte einfach nicht mehr denken.
Nachdem sie sich umgezogen hatte, legte sie sich ins Bett und rief ihr Buch herbei. Schlafen würde sie bestimmt nicht können.
Später erwachte sie weit genug aus einem tiefen Schlummer um zu bemerken, dass jemand ihr behutsam das Buch aus den Händen nahm und die Lampe auf dem Nachttisch löschte. Doch sie war nicht wach genug, um sich zu fragen, wer es sein mochte.
7
Marian wurde schlagartig wach. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Sie hielt die Augen geschlossen und stellte sich weiterhin schlafend, um ihrem verwirrten Geist ein paar kostbare Sekunden zu gewähren, damit sie sich sammeln und erkennen konnte, was sie aus dem Tiefschlaf gerissen hatte.
Da. Warmer Atem an ihrer Hand. Jemand war in ihrem Zimmer, neben dem Bett. Und ihr veränderter Atemrhythmus hatte diesem Jemand längst verraten, dass sie nicht mehr schlief. Weiter so zu tun, als sei sie noch nicht wach, machte sie also nur blind für die Gefahr, in der sie schwebte.
Sie schlug die Augen auf … und starrte den Wolf an, der sie gebannt beobachtete.
*Du bist wach. Yas hat mir verboten, dich aufzuwecken, und ich habe dich nicht geweckt, aber nun bist du wach.* Der Wolf reckte den Hals, sodass seine Schnauze beinahe ihre Nase berührte. *Du kannst mich streicheln.*
Sie hob die Hand, um seiner Aufforderung Folge zu leisten. Dann erkannte ihr Gehirn, was an dieser »Unterhaltung« nicht stimmte.
Unter atemlosem Aufkreischen trat sie die Bettdecke von sich. Sie sprang hastig auf und stand mit einem Satz auf der anderen Seite des Bettes, gegenüber von dem Wolf, der genauso verdutzt dreinblickte wie sie.
Die Schlafzimmertür stand offen. Marian war der Tür näher als der Wolf. Wenn sie die Tür erreichen könnte …
Sie bewegte sich langsam seitwärts, ohne den Wolf auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen - bis er eine Pfote auf das Bett legte, als wolle er zu ihr herüberspringen.
Sie stürzte aus der Tür, lief den Korridor entlang und bog so schnell um die Ecke, dass sie beinahe gegen die Wand gestürzt wäre. Als Nächstes lief sie den breiten Hauptflur des Horstes entlang. Sobald sie den Eingang zu dem einzigen Raum erblickte, den sie kannte, griff sie nach der Steinmauer und schwang sich in die Küche, woraufhin Yaslana derart heftig erschrak, dass er beinahe die Tasse fallen ließ, die er in der Hand hielt.
»Was im Namen der Hölle …«, setzte er an.
»Der Wolf kann reden!«
»Ich weiß«, erwiderte Yaslana. »Er ist ein verwandtes Wesen. Da du nun wach bist, möchtest du einen Kaffee?«
Marian starrte ihn an. Vielleicht war er noch nicht wach genug, um zu begreifen, was sie gesagt hatte. »Der Wolf kann sprechen . In ganzen Sätzen!«
»Ich weiß.« Nachdem er sie kurz gemustert hatte, fügte er
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