Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
aufzublicken. »Als du bei Luthvian gewohnt hast, hat sie dich da in irgendwelche Geschäfte in Doun mitgenommen?«
Die Frage klang bedeutungsvoll, doch Marian war zu müde, um Vorsicht walten zu lassen. »Wir haben Unterwäsche gekauft. Ansonsten gab sie mir ein paar ausrangierte Sachen von sich.« Und sie hatte angedeutet, dass selbst diese Kleidungsstücke noch zu gut für eine niedere Haushälterin waren. Doch das sagte Marian nicht.
Jaenelle nickte, eine Mischung aus Trauer und Wut in den Augen. »Ich bat Luthvian, mit dir einkaufen zu gehen. Und da ich sie gut genug kenne, um zu wissen, dass sie sich darüber beschweren würde, etwas von ihrem Einkommen für jemand anderen ausgeben zu müssen, gab ich ihr genügend Goldstücke, um dir Kleider zu kaufen. Dass sie sich dazu entschlossen hat, anders zu handeln …« Sie seufzte. »Alles hat seinen Preis. Sie hat ihre Wahl getroffen, und der Rest der Familie wird ebenfalls eine Wahl treffen.«
»Ich möchte keinen Ärger verursachen.«
»Mach dir keine Sorgen.« Jaenelle tätschelte Marian liebevoll den Arm. »Ruh dich aus. Heute Abend werden wir wunderbar essen gehen, und morgen fahren wir nach Dharo.«
Jaenelle war bereits an der Tür, als es Marian endlich gelang, sich auf die Ellbogen aufzustützen. »Dharo?«
Jaenelle grinste. »Wir müssen schließlich noch Teppiche kaufen, und niemand in ganz Kaeleer macht schönere Teppiche als die Weber von Dharo.«
Noch lange, nachdem Jaenelle gegangen war, starrte Marian auf die Tür. Dharo. Teppiche. Ein weiterer Tag voller Einkäufe.
Sie presste das Gesicht in ihr Kopfkissen … und stöhnte laut auf.
11
Mit einem leisen Fauchen ging Lucivar auf dem mit Steinplatten gefliesten Hof vor dem Horst auf und ab.
Wo im Namen der Hölle steckte sie? Er hatte Jaenelle gesagt, dass er zwei Tage benötigte. Zwei Tage! Schön und gut. Er hatte ja Verständnis dafür, dass Marian nicht schon gestern Abend zurückgekommen war. Jedenfalls fast. Vielleicht waren sie zu spät fertig geworden mit … was auch immer er Jaenelle vorgeschlagen hatte, um Marian aus Ebon Rih zu locken - er konnte sich nicht mehr erinnern, was es gewesen war -, vielleicht waren sie also zu spät fertig geworden, sodass es ihr nicht mehr möglich gewesen war, am vergangenen Abend zurückzukehren. Und er hatte sie auch nicht bei Sonnenaufgang erwartet, da Jaenelle keine Frau war, mit der man zu reden wagte, bevor sie ihre erste Tasse Kaffee getrunken hatte. Doch jetzt war es beinahe Mittag, und seine Schwester hatte ihm seine Haushexe noch immer nicht zurückgebracht!
Er vermisste Marian. Während die Männer um ihn her gearbeitet hatten, war ihm ihre Abwesenheit gar nicht so sehr aufgefallen, doch sobald der Tag sich dem Ende zuneigte, und er allein in seinen Horst ging …
Sie ließ den Ort warm werden, einfach nur durch ihre Gegenwart. Sobald er den Horst betrat, konnte er normalerweise das wunderbare Gefühl ihrer Anwesenheit spüren. Es gab Tage, an denen er den Eindruck gewann, dass sie sich tatsächlich an ihn gewöhnte, und sie zwei Menschen waren, die aneinander interessiert waren und darauf zusteuerten, miteinander zu leben, anstatt nur denselben Horst zu teilen. Dann waren da wieder Tage, an denen sie sich ohne Grund von ihm zurückzog, wenn ihre ganze Haltung keinen
Zweifel daran ließ, dass er der Prinz war, und sie die Haushälterin.
Er war vorsichtig vorgegangen. Seine körperlichen Reaktionen auf ihre Nähe hatte er völlig unter Verschluss gehalten, und er hatte sie nie auf eine Art und Weise berührt, die sie glauben machen könnte, er wolle Sex mit ihr haben. Doch er wollte in ihr Bett eingeladen werden, wollte sie in sein Bett holen, wollte … sie. Er wusste jeweils nicht genau, woran es lag, dass sie auf einmal vor ihm zurückwich. Dieser Umstand trug nicht gerade dazu bei, sein mühsam gezügeltes Temperament zu beschwichtigen.
Sie brauchte Zeit. Er würde ihr Zeit geben. Solange sie nicht fest davon überzeugt war, dass er ihr nicht wehtun würde, würde sie ihm gegenüber scheu sein. Also würde er geduldig sein.
Er. Würde. Geduldig. Sein.
Als er ein weiteres Mal zu den leeren Treppenstufen blickte, die zum Landeplatz hinabführten, entrang sich seiner Kehle ein wütendes Knurren.
Wo war sie?
Kurz darauf konnte er ihre Anwesenheit auf dem Landeplatz spüren, zusammen mit Jaenelle und …
Er blickte zum Himmel empor. Was hatte Saetan zu dieser Tageszeit hier verloren?
Auf einmal wurde seine erwartungsvolle Freude,
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