Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
konnte und würde Lucivar beschützen.
»Ich habe Lucivar schon einmal wegen dir verloren«, sagte er. »Ein zweites Mal werde ich ihn nicht verlieren. Hör mir also gut zu, Luthvian, denn ich werde dies nur ein einziges Mal sagen: Halte dich von Marian fern. Misch dich nicht in Lucivars Leben ein. Wenn sie einander wollen, ist das ihre Wahl, nicht deine. Solltest du auch nur das Geringste tun, um sie zu trennen, werde ich dir den dunkelsten Winkel der Hölle zeigen - und dich dort zurücklassen.«
»Du … du würdest mich umbringen?«
Seine Stimme nahm einen boshaften, zugleich aber zärtlichen Tonfall an. »Nein, meine Liebe. Du wirst immer noch am Leben sein, wenn ich dich dorthin bringe.«
Sie sank bebend zu Boden.
Zufrieden verließ er die Küche. Sie hatte begriffen, dass er sie als Beute für alles in der Hölle zurücklassen würde, was auf frisches Fleisch und warmes Blut aus war. Nachdem er die niedrige Steinmauer hinter sich gelassen hatte, sprang er auf den roten Wind auf und reiste zum Bergfried. An diesem Abend benötigte er diese dunkle Zufluchtsstätte, um mit den bitteren Erinnerungen ringen zu können, die ihm immer noch Seelenqualen bereiteten.
13
Nein. Lucivar konnte keine Sekunde länger ruhig dasitzen. Er sprang von seinem Sessel auf. Es gefiel ihm nicht. Es gefiel ihm ganz und gar nicht. Besonders, da Saetan für ihre Unterhaltung die Sitzgruppe in seinem Arbeitszimmer gewählt hatte. So war sich Lucivar nicht sicher, ob er mit seinem Vater oder dem Haushofmeister des Dunklen Hofes sprach. Egal. Er hatte ein Gespür dafür, wenn ihn jemand in die Enge trieb. »Such dir einen anderen.«
»Es gibt keinen anderen«, sagte Saetan leise.
Rastlos schlich Lucivar von einem Möbelstück zum nächsten, wobei er Saetans Blick vermied, seinen Vater jedoch nie
ganz aus den Augen verlor. »Warum bittest du nicht Chaosti? Er trägt Grau, und er dient im Ersten Kreis.«
»Er hat bisher nicht ausreichend Erfahrung im Bett gesammelt, um mit einer solchen Angelegenheit fertig zu werden. Und seine Beziehung mit Gabrielle ist noch zu frisch, um körperlich gesehen … angemessen … zu reagieren. Außerdem ist Karla so etwas wie eine Schwester für ihn.«
»Und für mich nicht?«
»Du hast die nötige Reife, um damit umzugehen.« Saetan seufzte. »Ich weiß, dass Sex … dir nicht gerade leicht fällt …«
»Du weißt überhaupt nichts!«, rief Lucivar. »Du hast keine Ahnung, wie es sich angefühlt hat, auf diese Art und Weise benutzt zu werden.«
Als Saetan zusammenzuckte, bereute Lucivar seine Worte, obgleich er das Gefühl hatte, jegliche ihm zur Verfügung stehende Waffe einsetzen zu dürfen, um diesen speziellen Dienst zu vermeiden.
»Lucivar«, sagte Saetan mit gequälter, aber ruhiger Stimme. »Karla ist eine Königin mit grauem Juwel. In ihrem Territorium existiert ein tiefer Riss zwischen den Angehörigen des Blutes, die ihren Onkel und die schändlichen Veränderungen unterstützen, die er in der Gesellschaft durchgesetzt hat, und den Blutleuten, die verzweifelt darauf gewartet haben, dass Karla erwachsen wird und Glacia als Königin regiert. Bis sie ihre Jungfrauennacht hinter sich gebracht hat, bleibt sie verletzlich und könnte gebrochen werden. Dann würde sie ihr graues Juwel verlieren. Ohne ihre Kraft wird es in Glacia zum Bürgerkrieg kommen, was das Ende ihres Volkes bedeuten würde.«
Das wusste er alles, doch es machte die Sache nicht leichter. »Sie mag keine Männer«, murmelte er. »Jedenfalls nicht auf diese Weise.«
»Was es ihr noch schwerer machen wird, da sie keinerlei Interesse am männlichen Körper verspürt, sodass ihr eigener Körper nicht angemessen reagieren wird.« Saetan rieb sich die Stirn. »Wenn ich körperlich in der Lage wäre, es zu tun,
hätte ich dich gar nicht erst gefragt. Ich hätte mich darum gekümmert - weil es sich um Karla handelt.«
Lucivar starrte seinen Vater an. Als der Hexensabbat zum ersten Mal auf die Burg gekommen war, hatten die Hexen Saetan als eine Art Ehrenonkel adoptiert. Doch in den fünf Jahren, die seither vergangen waren, war er ihnen allen ans Herz gewachsen und zu einem echten väterlichen Freund geworden: der Mann, der sie in der Kunst unterwiesen hatte, wie es niemand sonst in Kaeleer vermocht hätte; der ihnen bei ihren Problemen zur Seite gestanden hatte; der sie für Fehler gerügt hatte; der ihnen beigebracht hatte, was Ehre war. Angesichts der berechtigten Angst, die Karla ihrem leiblichen Onkel gegenüber gehegt
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