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Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht

Titel: Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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ihrem Innern zerbrach - zerbrach und wurde auf andere Weise neu zusammengefügt. Sie wippte auf dem Rand einer Klippe. Sie konnte zurück auf vertrautes Terrain treten oder sie konnte springen - und vielleicht wieder fliegen.
    Er hatte sie bis auf die Klippe gedrängt. Das sah sie im Nachhinein. Jedes Mal, wenn er sie herausgefordert, und sie sich zur Wehr gesetzt hatte, hatte er ihr das Gefühl gegeben, dass sie sich behauptet hatte. Meist gewann sie nicht - seine Vorstellung von einem Kompromiss war einfach lachhaft -, aber im Grunde hatte sie auch noch nie wirklich verloren.
    Er wollte, dass sie als Siegerin hervorging. Und er würde sie mit Leib und Seele unterstützen.
    Sie schluckte die Tränen hinunter und nahm all ihren Mut zusammen. »Könntest du mir helfen, wieder fliegen zu lernen?«
    Er kam langsam auf sie zu. Kein Lächeln. Keine heiteren Worte. Er streckte die Hand aus und strich ihr über das Haar, sah sie an. Dann küsste er sie auf die Stirn, etwas, das er häufig getan hatte seit dem Tag, an dem sie mit dem Kochtopf nach ihm geworfen hatte. Dann küsste er sie auf den Mund. Ein verhaltener Kuss, der nicht fordernd war - in ihr jedoch den Wunsch aufkommen ließ, es wäre anders.

    »Ich werde dir helfen, wieder zu fliegen«, sagte er, als er von ihr wegtrat. »Hol deinen Umhang. Wir gehen trotzdem ins Dorf hinunter und essen etwas.«
    Gehorsam eilte sie davon. Wann sie wohl mit den Flugübungen beginnen konnten? Als sie die Stufen erreichte, die zum Rest des Horstes führten, sagte er: »Marian?«
    Sie drehte sich um.
    Er schenkte ihr ein Grinsen. »Die Flugübungen werden dich nicht davor bewahren, zu lernen, wie man mit den Stangen kämpft. Nur, damit du dir keine falschen Hoffnungen machst.«
    Beim Feuer der Hölle, dachte sie, während sie in ihr Zimmer eilte, um sich dort die Haare zu kämmen und ihren Umhang zu holen. Sie hatte nicht daran gedacht, dass sie nun beides tun musste. Die Arbeitszeit, die das kostete … Doch er hatte mehr als deutlich gemacht, dass er keinen Widerspruch akzeptieren würde.
    Aus irgendeinem Grund ärgerte sie dieser Umstand nicht so sehr, wie er es eigentlich hätte tun sollen.

17
    Marian hielt am Seiteneingang des Horstes inne und blickte zu den dunklen, schweren Wolken empor, die über die Berge zogen. Dieses Mal würde es keinen leichten Schneefall geben, sondern einen heftigen Schneesturm, der Ebon Rih tagelang unter sich begraben würde. Hoffentlich würde Lucivar noch rechtzeitig nach Hause kommen, bevor das Unwetter losbrach.
    *Tassle?*, rief sie einen mentalen Faden entlang.
    *Ich komme in die Höhle zurück*, erwiderte Tassle.
    Gut. Ein verwandter Wolf wusste, wo er inmitten eines Schneesturms Schutz fand, doch sie wäre beruhigter, wenn er bei ihr im Horst war.
    Sie eilte in die Umkleidekammer und schüttelte den
Schnee von ihrem schweren Umhang, bevor sie ihn zum Trocknen an einen Haken hängte. Statt der Stiefel zog sie weiche Hausschuhe an. Dann ging sie in die Küche, um die Lebensmittel wegzuräumen, die sie als Vorrat gekauft hatte, damit sie während des Unwetters etwas zu essen hätten.
    Während sie die Taschen auspackte, warf sie immer wieder einen Blick aus dem Fenster. Es schneite bereits stark. Ein heftiger Windstoß ließ die Welt auf einmal weiß und blind werden. Dann erspähte sie Tassle am anderen Ende des Gartens und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Einer ihrer Männer war sicher zu Hause. Wenn jetzt noch der andere käme …
    In den letzten Tagen, seitdem sie von der Burg seines Vaters zurückgekehrt waren, wo sie Winsol gefeiert hatten, war Lucivar gereizt gewesen. Er bestritt, dass etwas nicht stimmte, aber die Blicke, mit denen er sie bedacht hatte, hatten beinahe feindselig gewirkt. Etwas ärgerte ihn, und sie hatte den Verdacht, dass es mit ihr zu tun hatte.
    Es war wunderschön und verwirrend gewesen, Winsol, das winterliche Fest, an dem die Dunkelheit gefeiert wurde, auf der Burg zu verbringen. Sie war enttäuscht gewesen, dass Andulvar und Prothvar Yaslana nicht da gewesen waren, denn sie hatte gehofft, den beiden zu begegnen. Doch der Hexensabbat war beinahe Entschädigung genug gewesen. Es hatte lange Spaziergänge und Schneeballschlachten gegeben sowie Nachmittage, an denen die Frauen sich versammelt hatten, um gemeinsam zu plauschen und zu lachen. An einem dieser Nachmittage war ihr auf einmal in den Sinn gekommen, dass es sich bei den Frauen, die sie mit einbezogen, als sei sie eine der ihren, um Königinnen

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