Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
vorlagen. Kein Mann hatte sich öffentlich darüber beschwert, von Roxie schlecht behandelt worden zu sein. Das hatte nicht viel zu bedeuten, auch wenn die Königinnen hier vielleicht naiv genug waren, das zu glauben. Solange eine adelige Hexe nicht mit einem Adeligen spielte, dessen Familie sich beschwerte, wenn sein Ruf beschädigt wurde, würden die Königinnen nie etwas erfahren - Jünglinge, die sich jetzt schämten, weil Lust sie ihres Verstandes beraubt hatte, und die nun als »Schlampen« galten. Sie waren noch gut genug, wenn eine Frau nach einem Bettgefährten verlangte, doch zu »erfahren«, um für öffentlich anerkannte oder langfristige Beziehungen - oder gar eine Ehe - in Frage zu kommen.
Er mochte Roxie nicht. Aus diesem Grund hatte er sich einen ganzen Tag Bedenkzeit gegönnt, um zu entscheiden, was gerecht war - und, der Dunkelheit sei Dank: Seine Königin hatte seine Entscheidung gutgeheißen.
Das bedeutete jedoch nicht, dass die Adelsfamilien in Doun seine Entscheidung ohne weiteres schlucken würden. Doch alles hatte seinen Preis. Männer, die zu viele Betten wärmten, hatten manchmal einen sehr hohen Preis zu zahlen. Roxie würde das Exempel - und auch die Warnung - sein, dass Hexen, die Männer benutzten, auch einen Preis zu zahlen hatten. Er hatte sich Roxie gegenüber zu passiv verhalten. Diesen Fehler würde er nicht noch einmal begehen.
Ein Dienstbote führte ihn in den formellen Salon, wo Roxies Vater ihn erwartete. Der Mann wippte auf den Fersen, ganz aufgeregte Empörung und aufgeblasener Zorn. Doch in seinen Augen lauerte Angst.
»Krieger«, sagte Lucivar.
»Prinz.« Roxies Vater nickte rasch. »Ich hoffe, du hast diese Bedienstete entlassen. Eine schreckliche Frau! Ein unschuldiges Mädchen auf offener Straße anzugreifen und dann auch noch Lügen über sie zu verbreiten.«
»Wenn du von Lady Marian …«
»Marian. Ja, das war der Name! Deine …«
»Geliebte.«
Roxies Vater erbleichte. »Was?«
»Marian ist meine Geliebte«, sagte Lucivar sanft.
»Aber … aber du hast Roxie versprochen …«
Lucivar stieß ein Knurren aus. »Ich habe Roxie nur versprochen, dass ich sie umbringen würde, wenn ich sie jemals wieder in meinem Bett vorfinde.«
Der Mann taumelte auf einen Sessel zu und ließ sich hineinsinken.
Er liebt das kleine Luder , dachte Lucivar, und in ihm regte sich Mitleid. Doch Mitleid konnte nichts daran ändern, weswegen er hergekommen war. In Wahrheit ließ er ohnehin Gnade vor Recht ergehen, was Roxie betraf. »Alles hat seinen Preis. Der Preis für Vergewaltigung ist die Hinrichtung. Einen Mann fälschlicherweise der Vergewaltigung zu bezichtigen hat ebenfalls einen Preis: die Juwelen der Hexe … oder ihr Leben.«
»Aber sie hat dich in keiner Weise beschuldigt! Du hast nur das Wort dieser … Lady Marians Wort.«
»Sie hatte keine Gelegenheit, mich zu beschuldigen«, entgegnete Lucivar. Er atmete tief ein und ließ die Luft dann langsam wieder entweichen, wobei er den Kopf schüttelte. Es war besser, die Sache rasch hinter sich zu bringen. »Da sie keine Gelegenheit hatte, ihr Spielchen zu spielen, kann ich … flexibel … sein, was ihre Bestrafung betrifft. Ich kann es nicht rechtfertigen, ihr das Leben zu nehmen, aber ich werde es nicht zulassen, dass sie in dem Land, über das ich herrsche, das Leben von Männern aufs Spiel setzt. Deshalb wird Roxie aus Ebon Rih verbannt. Ihr habt drei Tage Zeit, sie jenseits der Grenzen dieses Tals anzusiedeln. Wenn sie bis dann nicht fort ist, werde ich wiederkommen, um auf die Jagd zu gehen. Und sollte sie jemals nach Ebon Rih zurückkehren, werde ich sie umbringen.«
»Das kannst du nicht tun!«, jammerte Roxies Vater.
»Ich bin hier das Gesetz«, sagte Lucivar. »Das ist die Gnade, die ich einer Frau wie ihr zu bieten habe. Ihr könnt sie annehmen und Roxie aus Ebon Rih schaffen« - er rief sein
Kampfschwert herbei - »oder ich kann sie auf der Stelle umbringen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es eine ganze Reihe junger Männer gibt, die dann heute Nacht besser schlafen werden.«
Roxies Vater griff sich an die Brust. Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Wo soll sie denn hin?«
»Das ist mir gleichgültig.« Er ließ das Kampfschwert wieder verschwinden. »Schaff sie aus Ebon Rih fort, oder ihr Leben ist verwirkt.«
Der Mann brach in Tränen aus.
Da es nichts weiter zu sagen gab, verließ Lucivar das Haus und ging die Straße entlang. Es war verlockend davonzufliegen, um das Haus schneller hinter
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