Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
alle freilassen würde. »Vielleicht kannst du die Graue Lady überreden, dich zu deiner Familie zurückkehren zu lassen, wenn wir erst einmal Dena Nehele erreicht haben.«
Weil er sie berührte, konnte er die heftige Trauer spüren, die sie durchzuckte, bevor es ihr gelang, sie wieder niederzukämpfen.
»Ich habe keine Familie«, erwiderte Thera kalt.
Da es Jared leidtat, an einer schmerzenden Wunde gerührt zu haben, versuchte er, das Thema zu wechseln. »Blaed mag dich.«
»Blaed ist ein Narr«, fuhr sie ihn an.
Als Jared an die Art dachte, wie Blaed Thera ansah, mit so viel seines Herzens im Blick, schrumpfte sein Mitleid mit ihr rapide.
»Sag mal«, meinte er höflich, »liegt es dir im Blut, so ein gemeines Miststück zu sein, oder musst du hart daran arbeiten?«
Er hatte erwartet, dass sie zum Gegenschlag ausholen würde, und verlor die Nerven, als sich ihre Augen mit Tränen füllten, dir ihr alsbald die Wangen hinabliefen.
»Thera«, sagte er sanft und zog sie an sich, um sie zu trösten, doch sie wehrte sich und versuchte, sich loszureißen.
Schließlich hörte sie auf, gegen ihn anzukämpfen, und lehnte den Kopf an seine Brust. »Es ist sicherer, ein gemeines Miststück zu sein. Verstehst du das?«
»Ja, das verstehe ich«, sagte Jared, der ihr behutsam die Tränen wegwischte.
»Es ist schwer, eine nützliche Waffe loszulassen. Es ist schwer, jemandem zu vertrauen.«
»Ich weiß.« Er umarmte sie kurz und zog sich dann ein wenig zurück. Es freute ihn, dass sie den Arm, den er ihr freundschaftlich um die Schultern gelegt hatte, nicht abschüttelte.
Nachdem sie etliche Minuten weitergegangen waren, schnitt er die Frage an, die nun schon die letzten paar Tage an ihm genagt hatte. »Was hattest du auf Raej zu suchen, Thera? Warum hat sich eine ungebrochene Schwarze Witwe mit grünen Juwelen der demütigenden Auktionsbühne unterzogen?«
»Um zu entkommen. Warum wohl sonst?«
In ihren grünen Augen blitzte kurz ein Funke trockener Humor auf. Als er erlosch, blickte Jared wieder in undurchdringliche Spiegel.
Thera atmete langsam und tief durch. »Meine Mutter war nicht sonderlich gescheit.« In ihrem Lachen schwang Bitterkeit mit. »Die Landen glauben immer, dass wir Angehörige des Blutes sind und uns der Kunst bedienen, bedeute zwangsläufig, dass wir alle sehr mächtig, sehr wohlhabend und sehr intelligent sind. Dabei bedeutet es das keineswegs. Wir sind einfach nur Angehörige des Blutes.
Sie war hübsch und von sanftem Gemüt und besaß eine angeborene Lieblichkeit, die sie zum Erstrahlen brachte. Oder zumindest wäre das so gewesen, wenn meine Mutter in ihrem Heimatdorf geblieben wäre und ein Leben geführt hätte, das ihr angemessen war. Doch eines Tages kam ein Krieger vom Hof der Provinzkönigin durch das Dorf geritten und hat sie gesehen. Er hat den Nachmittag mit ihr verbracht, ganz der höfliche Verehrer, hat ihren Einkaufskorb getragen und so getan, als sei er noch nie zuvor einer derart wunderbaren Frau begegnet. Dann ist er zum Hof zurückgeritten, und sie hat sich gefreut, derart bewundert worden zu sein.
Ein paar Wochen später hat die Provinzkönigin sie an ihren Hof berufen und ihr eine Stelle im Fünften Kreis angeboten. Es flößte meiner Mutter Ehrfurcht ein, sie hat sich geschmeichelt gefühlt und war außerdem von der Art und Weise überwältigt, wie die Menschen bei Hofe sich verhielten.
Auch er war dort, ein beliebter Mann aus dem Zweiten Kreis. Galanterweise hat er sich erboten, meine Mutter in die komplizierten Einzelheiten des Hoflebens einzuführen. Da er der einzige Mensch war, den sie dort kannte, hat sie sein Angebot mit offenen Armen angenommen. Er hat es nicht ertragen können, von ihr getrennt zu sein. Er hat sie angefleht, seine Frau zu werden. Und er hat sie bekniet, sie durch ihre Jungfrauennacht geleiten zu dürfen.« Thera seufzte einmal tief.
»Er hat sie gebrochen. Ein Unfall, hieß es. Manchmal passiere das schon einmal. Trotz der ganzen Sorgfalt, die man habe walten lassen, passiere das manchmal. Es sei ja so bedauerlich.
Natürlich konnte er sie danach nicht mehr heiraten. Weder seine Familie noch seine Königin hätten einem Krieger mit opalenem Juwel die Erlaubnis erteilt, eine gebrochene Hexe zu heiraten, die nicht einmal adelig war. Doch sie konnte seine Geliebte sein, und in seinem Herzen würde sie immer seine Frau sein. Es hat nicht lang gedauert, bis sie herausfand, dass kein großer Unterschied zwischen einer Geliebten und einer
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