Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
wirkte Tomas verblüfft. Dann kehrte er mit einem Grinsen zu seinen eigenen Gedanken zurück.
Jared atmete tief ein. Als er die Luft wieder ausströmen ließ, konnte er spüren, wie die Anspannung in seinen Schultern ein wenig nachließ.
In den letzten beiden Tagen hatte er sich nicht viele Gedanken gemacht, wenn man die heftigen Tagträume nicht mitzählte, die von warmen, trockenen Unterkünften handelten. Über den Unsichtbaren Ring hatte er nichts erfahren. Wenn er mit einem Sichtschutz belegt war, konnte er zumindest keine Spur der dazu notwendigen Kunst erspüren. Da war keinerlei Gewicht, kein beengendes Gefühl, nichts von all den Dingen, die einen Mann niemals vergessen lie ßen, dass er einen Ring des Gehorsams trug. Beim Feuer der Hölle, im Grunde fühlte es sich an, als trage er überhaupt keinen Ring!
All das half ihm nicht dabei, eine Möglichkeit zu finden, den Ring zu umgehen. Abgesehen von dem Wutausbruch, den Eryk bei der Lady bewirkt hatte, hatte sich ihnen keine Gelegenheit geboten, ihr Temperament genauer kennen zu lernen. Eine bewusst beiläufige Bemerkung von Randolf und Blaeds ungeschickter Versuch, an mehr Informationen zu gelangen, hatten ergeben, dass die Ringe des Gehorsams ebenfalls nicht sonderlich streng gehandhabt wurden. Sollte ihr Gehorsam auf die Probe gestellt werden? Handelte es
sich lediglich um eine Falle für den ersten Mann, der versuchte, ihren Fängen zu entkommen? Bestand sie deswegen nicht darauf, dass sie in der Nähe des Wagens blieben? Benutzte sie die Ringe, um sie zu überwachen? Das ließ sich nicht mit Sicherheit sagen. Das Verhalten der Grauen Lady war abwechselnd kalt und besorgt, was die anderen verunsicherte und in ihrer Nähe wachsam sein ließ – abgesehen von Thera und Tomas. Weswegen sie Tomas’ mangelnde Unterwürfigkeit tolerierte, ließ sich durchaus nachvollziehen. Jared hatte schon etliche Königinnen erlebt, die sich damit vergnügt hatten, einem ansonsten machtlosen Sklaven derartiges Verhalten durchgehen zu lassen – und er hatte mit angesehen, was mit diesen Sklaven geschah, sobald die Königinnen dieses Spielchen nicht mehr länger vergnüglich fanden. Doch er begriff einfach nicht, warum die Graue Lady Theras bissige Bemerkungen und deren Zornausbrüche über sich ergehen ließ. Und er konnte sich noch immer keinen Reim darauf machen, was diese Königin mit ihren grauen Juwelen an sich hatte, das ihn so ruhelos und begehrlich werden ließ, dass er immer wieder vergaß, weswegen er sie eigentlich fürchten sollte.
Mit Sicherheit wusste er nur zu sagen, dass sie durch unwegsames Gelände reisten, immer in Richtung Westen oder Nordwesten, und dass ihnen keine Menschenseele begegnet war, seitdem sie die Herberge hinter sich gelassen hatten. Sie befanden sich weit genug im Norden, um die beißende Herbstkälte zu spüren, besonders des Nachts, aber dennoch wusste er nicht zu sagen, in welchem Territorium sie sich befanden, und die Lady hüllte sich in Schweigen.
Oder sie wusste es selbst nicht. Was kein beruhigender Gedanke war. Mutter der Nacht, kein einziger der Gedanken, die ihm im Kopf herumschwirrten, war beruhigend! Er verstand, warum sie Sklaven nicht gestattete, alleine mit den Winden zu reisen, aber warum hatte sie bei der nächsten Kutschstation keine Fahrt gebucht, wenn sie entschlossen war, sie mit sich nach Dena Nehele zu nehmen?
Und wovor hatte sie Angst? Fürchtete sie, dass die Männer
versuchen würden, die Ringe des Gehorsams zu zerbrechen und anschließend ihre Juwelen herbeizurufen, um sie anzugreifen? Das bezweifelte er. Die Geschichten, die man einander über sie zuraunte, dürften dafür sorgen, dass es sich jeder Mann, der auch nur halbwegs bei Verstand war, lange und gründlich überlegte, bevor er sie zum Kampf herausforderte. Und im Grunde gab es unter ihnen zwölf nur fünf, die in einem ausreichenden Grade unversehrt und ausgebildet waren, um auch nur eine mögliche Bedrohung für sie darzustellen.
Es musste also einen anderen Grund für die kurzen Ausbrüche der Angst geben, die er im Laufe der letzten beiden Tage an ihr wahrgenommen hatte, obgleich sie sich alle Mühe gegeben hatte, sie geheim zu halten. Hatte die Nachricht, die sie kurz vor ihrer Abreise von Raej erhalten hatte, etwas damit zu tun, dass sie es offenbar vermied, allzu lange an einem Ort zu bleiben?
Jared blickte finster drein. Was immer es sein mochte, es war ihr Problem, nicht seines.
Er würde noch einen Tag verstreichen lassen. Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher