Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
Graue Herrin musste also noch ein weiteres Mal auf Raej in Erscheinung treten. Das kann ich nachvollziehen. Mehr oder weniger. Aber, Lia, wieso hast du nicht die Überfahrt zu einer Kutschstation in der Nähe von Dena Nehele gekauft, nachdem du die Sklaven ersteigert hattest?«
»Das wollte ich ja, aber …« Lia biss sich auf die Lippe. »Ich habe eine beängstigende Nachricht erhalten.«
Er konnte sich noch gut an die Botschaft erinnern, die sie bekommen hatte, kurz bevor sie die Fahrkarten kaufen wollte. Und die Angst, die sie verströmt hatte, nachdem sie die Nachricht gelesen hatte. »Wie lautete die Botschaft?«
» Sie warten im Westen auf dich. «
»Weißt du, wer sie dir geschickt hat?«
Lia schüttelte den Kopf. »Es war die Handschrift eines Mannes, aber ich habe sie nicht wiedererkannt. Ich überlegte
mir, dass es natürlich auch eine Falle sein könnte. Deshalb …« Sie machte eine Handbewegung, die den Wagen, die Vorräte und alles sonst beinhalten sollte. »Ich habe einfach nicht gewusst, was ich sonst tun sollte.«
»Du hast richtig gehandelt, Lady«, sagte Jared voll warmer Anerkennung. »Aber war da nicht eine Kutschstation in der Nähe des Gasthauses, wo du den Wagen und die Vorräte gekauft hast? Warum haben wir nicht eine andere Kutsche von dort aus nach Dena Nehele genommen, anstatt uns auf diese Reise zu begeben?«
Lia wandte das Gesicht ab. Ihre Finger zerrten wieder an der Decke herum, und sie nagte an ihrer Unterlippe.
Jared konnte wieder einmal das warnende Prickeln zwischen seinen Schulterblättern spüren. Das Herz hämmerte schmerzhaft in seiner Brust. »Warum haben wir keine andere Kutsche genommen, Lady Ardelia?«, fragte er leise.
»Alles hat so viel mehr gekostet«, erwiderte sie rasch in abwehrendem Tonfall. »Man muss zwei Begleiter anheuern, wenn man Sklaven kaufen möchte, damit einer bei den Sklaven bleiben kann, während der andere die Käuferin begleitet. Und sie haben mich ein Drittel mehr zahlen lassen als die Hexe vor mir. Ohne Begleiter hätte ich das Auktionsgelände nicht betreten können, und als ich Einspruch erhob, lächelte der verantwortliche Bastard nur und meinte: ›Das ist nun einmal die übliche Gebühr.‹ Und die Auktionspreise waren auch höher, als wir erwartet hatten. Die Preise lagen immer deutlich über dem sogenannten Arbeitswert der betreffenden Person.«
Ihre Erklärungen galten im Grunde nicht länger ihm. Er fragte sich, wie oft sie ihre Handlungsweise im Laufe der letzten Tage vor sich selbst gerechtfertigt hatte.
Doch was genau versuchte sie zu rechtfertigen?
»Ich glaube, manche der anderen Käuferinnen haben bloß mit geboten, um den Preis in die Höhe zu treiben«, fuhr Lia fort, wobei sie immer verzweifelter klang. »Aber es war doch das letzte Mal, verstehst du? Ich konnte schließlich nicht die Menschen links liegen lassen, nach denen zu
suchen man uns gebeten hatte. Das konnte ich einfach nicht. Ich habe versucht, sie in die Irre zu führen, indem ich für ein paar Sklaven Gebote abgab und dann ausstieg, als die Preise in die Höhe schnellten, aber es hat nicht funktioniert. Und nachdem ich die Überfahrt mit der ersten Kutsche bezahlt hatte, war nicht genug Geld für eine weitere Fahrt übrig, also musste ich mir etwas anderes einfallen lassen, nicht wahr?«
Jared überschlug die Kosten für den Kauf der Pferde, des Wagens, der Kleidung und Vorräte im Rahmen dieses verzweifelten Glücksspiels. Sie alle für diese Reise auszustatten hatte wahrscheinlich die Hälfte der Kutschfahrt für sie und die zwölf Sklaven gekostet.
Aber das war noch immer keine Antwort. Er hatte in seiner Jugend so oft Erklärungen in halsbrecherischem Tempo von sich gegeben, dass er ganz gut einschätzen konnte, wann ihn jemand anders mit einer schwammigen Halbwahrheit abspeiste, um den wahren Grund für etwas zu verbergen.
Er beugte sich vor und bedeckte ihre Hände mit den seinen. In dem Augenblick, als er sie berührte, wusste er es.
»Wie viele solltest du eigentlich zurückbringen, Lia?«, fragte er sanft, um sie zu ködern. Die Wut stieg schon wieder in ihm empor. Und unter der Wut lag Trauer.
So knapp, dachte er. So knapp.
»Wir hatten uns auf keine genauen Zahlen verständigt«, murmelte Lia.
»Wie viele?«
Sie zitterte unter seinen Händen und wich seinem Blick aus.
»Nach wem solltest du Ausschau halten?«, fragte Jared, den es Mühe kostete, nicht ausfallend zu werden.
Sie schluckte hart. »Eryk und Corry. Blaed und Thayne.
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