Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
existierte, weil der Ring nicht mehr von Bedeutung war. Es gab nur noch eine Wahl, die er treffen und mit der er leben konnte. Bis zum Ende dieser Reise, und bis Lia wieder sicher zu Hause war, gehörte seine ganze Stärke ihr.
Seufzend legte Jared sich hin und schloss die Augen.
Mein Vater würde es so ausdrücken: Du bist noch nicht in deine Haut hineingewachsen.
Er hatte kaum Zeit gehabt, sich an das Gefühl seiner roten Kräfte zu gewöhnen, als man ihm eine Falle gestellt und ihn beringt hatte. Vielleicht hatte Blaeds Vater also in dieser Hinsicht recht. Und wenn das tatsächlich stimmte …
Hatte die Sklaverei ihn irgendwie in dieser Übergangsphase zwischen Jugend und Mannsein verharren lassen? Wenn er in Ranonwald geblieben wäre, hätte er sich dann an das aggressivere Wesen eines erwachsenen Mannes mit roten Juwelen gewöhnt, sodass die Veränderung langsam vonstatten gegangen wäre und er sich nicht auf einen Schlag so anders fühlen müsste?
Jared schlug die Augen auf und starrte zur dunklen Decke empor.
Anders. Wie der wilde Fremde. Der Teil seiner selbst, der neun Jahre lang unterdrückt gewesen war, bis die mörderische Wut ihn freigesetzt hatte. Der erwachsene Krieger, der ihn immer wieder dazu drängte, sein wahres Wesen bereitwillig anzunehmen, es sich zu eigen zu machen.
Er würde es bereitwillig annehmen müssen , ganz egal, wie viel Angst es ihm einjagte. Er brauchte diese Kraft und Aggressivität, wenn er Lia beschützen wollte.
In zwei Nächten würde das erste Mal nach der Herbsttagundnachtgleiche der Vollmond aufgehen. Für einen shaladorischen Mann war dies die Nacht des Tanzes.
Und der Tanz war genau der richtige Zeitpunkt, um den Krieger zurückzurufen.
Kapitel 12
Dorothea SaDiablo saß in einem der erlesenen Sessel, die dekorativ in ihrem Salon verteilt standen, und nippte an ihrem Morgenkaffee, während sie den Hauptmann ihrer Wache musterte. Ein Bein hatte sie angezogen, sodass sich ihr roter Seidenmorgenmantel verführerisch teilte. Ihr Haar ergoss sich über die Schultern und bildete einen glänzenden schwarzen Rahmen für ihre halb entblößten Brüste. Sie sah eher wie eine Hure aus einem der teuersten Häuser des Roten Mondes denn nach einer Hohepriesterin aus.
Andererseits, dachte Krelis, waren nicht alle Frauen Huren? Manche standen eben nur ehrlich dazu.
»Gibt es Neuigkeiten?«, wollte Dorothea wissen und stellte ihre Tasse auf dem niedrigen Tisch vor sich ab. Sie griff nach einem Stück halbmondförmigem warmem Frühstücksgebäck und brach es entzwei. Dann leckte sie genießerisch über die abgebrochene Kante. Und die ganze Zeit über ließ sie ihn nicht aus den Augen.
Es kostete ihn Mühe, nicht von einem Fuß auf den anderen zu treten, doch er ermahnte sich, dass er kein Wächter des Dritten Kreises mehr war, der nicht begriff, wie gefährlich es sein konnte, den sexuellen Verlockungen einer adeligen Hexe zu erliegen.
»Nun?« Dorothea steckte sich den kleinen Halbmond in den Mund, umschloss ihn mit den Lippen und zog ihn dann wieder hervor. Langsam. Während sie ihn weiterhin unverwandt ansah.
Krelis musste sich räuspern, um überhaupt etwas sagen zu können. »Nein, Priesterin, es gibt keine Neuigkeiten.
Doch selbst auf den Winden dauert es eine Zeit, bis man Hayll erreicht«, fügte er rasch hinzu.
»Natürlich«, säuselte Dorothea. »Ich mache mir einfach nur Sorgen, denn je mehr Zeit dieser kleine Auftrag in Anspruch nimmt, desto mehr Gelegenheit hat sie, uns zu entwischen.«
Er war sich der Drohung bewusst, die hinter den freundlich klingenden Worten steckte. »Sie wird nicht entkommen, Priesterin. Das schwöre ich bei meinem Leben.«
Dorothea setzte ein strahlendes Lächeln auf. »Ich weiß.«
Krelis’ Knie wurden weich. Bevor ihm eine passende Erwiderung einfiel, öffnete sich die Tür zwischen dem Schlafzimmer und dem Salon.
Der junge Gespiele wirkte an diesem Morgen weder schmollend noch trotzig. Außerdem trug er nicht die satte und zufriedene Miene eines Mannes zur Schau, der eine heiße Nacht im Bett verbracht hatte. Stattdessen sah er gehetzt aus, benommen, als habe er irgendwann in den frühen Morgenstunden heftige Todesängste ausgestanden und erwache erst jetzt wieder aus einem bösen Traum. Der Hunger in seinen Augen galt einzig und allein der Kaffeekanne und dem Gebäckkorb, und nicht der halb nackten Frau.
Krelis beobachtete, wie sich Dorotheas Miene veränderte. Die Hohepriesterin erinnerte ihn an eine zufriedene Katze, der
Weitere Kostenlose Bücher