Die schwarzen Juwelen 08 - Blutsherrschaft
hatte, seine bestrumpften Füße lagen auf einem Schemel. Den Blick in die Flammen gerichtet, schwenkte er träge den Kognak in seinem Glas.
Er hatte die letzten paar Tage mehr genossen als erwartet. Als er das erste Mal ohne Kermilla auf einer gesellschaftlichen Veranstaltung aufgetaucht war, hatte verlegenes Schweigen geherrscht. Doch danach musste sich die Nachricht verbreitet haben, denn keiner seiner anderen Gastgeber erwähnte ihre Abwesenheit. Und da ihre Abwesenheit bedeutete, dass er frei war, in andere Städte zu reisen, hatte er einige Zeit mit Kriegerprinzen verbracht, mit denen er in den Geächtetenlagern befreundet gewesen war.
Die Tage vor Winsol waren voll gewesen. Noch immer vermisste er Kermilla so schmerzlich, dass er sich oft innerlich leer und ausgebrannt fühlte – selbst wenn er sich eingestand, dass sie die Feiern nicht halb so sehr genossen hätte wie er. Schließlich war sie so viel Größeres gewohnt.
Wenn sie ihn gebeten hätte, Winsol mit ihr in Dharo zu verbringen, hätte er nicht gezögert. Hätten sie seine Kleider und Manieren so sehr in Verlegenheit gebracht?
Wahrscheinlich.
Der Gedanke, sich zum Winsol-Festessen mit den Bediensteten zusammenzusetzen, hätte sie sicher entsetzt. Da er sich nicht vorstellen konnte, dass die Köchin nur für ihn kochen sollte, hatte er Julien, Hanna und die anderen gebeten, mit ihm in den Speisesaal zu kommen und den Tisch mit allem Tand zu schmücken, den der Butler und die Haushälterin finden konnten. Trotz der Umgebung und dem viel besseren Essen hatte sich das Beisammensein mit ihnen eher angefühlt wie eine Winsol-Feier in den Geächtetenlagern.
Kameradschaft und freundschaftliche Neckereien zwischen den Alten und den Jungen, und es wurde gelacht. Viel gelacht. Und über allem lag die erleichterte Hoffnung, dass die düsteren Zeiten hinter ihnen lagen.
Er hatte die Mahlzeit und die Gelegenheit, sie als Menschen, nicht als Diener, kennenzulernen genossen.
Doch Kermilla fehlte ihm trotzdem. Und Gray. Beim Feuer der Hölle, wie Gray ihm fehlte! Nicht der Gray, der er während der letzten zehn Jahre gewesen war, sondern der Junge, wie er gewesen war, bevor man ihn gefangen genommen und gefoltert hatte. Während er an seinem Kognak nippte und ins Feuer starrte, dachte Theran immer wieder an das letzte Winsol, an dem Gray gesund und glücklich gewesen war – als noch nicht einer von ihnen von Alpträumen und der andere von Schuldgefühlen verfolgt wurde.
Ein Klopfen an der Salontür ertönte, bevor Julien eintrat. »Prinz Talon ist hier und fragt, ob du bereit seist, ihn zu empfangen.«
»Natürlich!« Theran stellte den Kognak beiseite und erhob sich aus dem Sessel. »Schick ihn herein.«
»Wir haben nichts von diesem speziellen Wein«, sagte Julien. »Gibt es irgendetwas anderes, das wir als Erfrischung anbieten können?«
Würde Julien wirklich eine Vene öffnen und sein eigenes Blut mit rotem Wein vermischen, um Yarbarah herzustellen?
Theran musterte das Gesicht seines Butlers und erkannte, dass die Möglichkeit eindeutig bestand. »Ich werde ihn fragen, ob er einen Wunsch hat.« Er hielt inne und überlegte, ob er etwas in Juliens Stimme hineinlas, das eigentlich nicht vorhanden war. »Ich weiß dein Angebot zu schätzen.«
Julien nickte und verließ den Raum.
Eine Minute später trat Talon ein.
»Frohes Winsol-Fest«, sagte Talon, als er Theran fest umarmte und ihn anlächelte.
»Frohes Winsol-Fest.« Theran lachte, erfreut über den Besuch. »Komm, setz dich ans Feuer. Ich glaube nicht, dass wir bis zum Morgen noch mehr Schnee bekommen, aber die
alten wetterfühligen Männer sagen, morgen bewegt sich keiner weit von seiner Türschwelle fort.«
»Wahrscheinlich haben sie Recht«, erwiderte Talon und nahm neben dem Feuer Platz. »In den Bergen gibt es dieses Jahr eine Menge Schnee.«
»Du warst im Tamanara-Gebirge?« Theran schaffte es nicht, die Überraschung in seiner Stimme zu verbergen. Wusste Cassidy, dass ihr Hauptmann der Wache die Geächtetenlager besuchte?
»Ich bin über die Winsol-Nächte immer in den Lagern.« Talon warf ihm einen scharfen Blick zu. »Das weißt du doch.«
Natürlich wusste er es. In den letzten paar Jahren hatte er den älteren Mann auf seiner Reise begleitet.
»Ich dachte, du hättest vielleicht dieses Jahr keine Zeit dafür«, sagte Theran. Er fügte nicht hinzu, dass er, bis zum heutigen Abend, nicht an die Männer gedacht hatte, die in den Gebirgslagern geblieben waren.
»Ich hatte
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