Die schwarzen Raender der Glut
die Kreditinstitute tun es, und ihre Annoncen, freudig von den Herausgebern des Jahresbandes akquiriert, teilen mit, wer sich wo mit eilends neu eingerichteter Filiale dem heimgenommenen elsässischen Kunden empfiehlt, ganz so, als seien mit der vordersten Kampftruppe, aufgesessen auf Guderians Panzer, auch die Bankbeamten vorgestoßen, das Haar akkurat gescheitelt, die Aktentasche unterm Arm, mit aufgepflanzter Füllfeder bereit zum Häuserkampf, auf den kopfsteingepflasterten Gassen geht das Rasseln der Panzerketten über in das der Eisengitter, die vor den neuen Filialen zur Seite geschoben werden, einladend zum lukrativen Geschäft mit Reichsanleihen und den dividendenträchtigen Aktien der IG Farben und der Degussa , siegreich schlagen wir den Credit Lyonnais , wer schenkt dem Führer die fachwerkprangendste Filiale?
Schluss mit der Geisterstunde, befiehlt sich Grassl.
Franziska hat die Auskunft angerufen und sich die Nummer in Bensheim geben lassen. Nun sitzt sie vor Isabellas Telefon und denkt nach.
»Ich weiß nicht, ob es nicht besser ist, ihn von einer Telefonzelle aus anzurufen.«
»Ach was!«, meint Isabella. »Wir spielen hier doch nicht
Tatort . Du willst dem doch nur in aller Freundschaft sagen, was du weißt und dass er seine dreckigen Finger von meiner Galerie lassen soll . . .«
Franziska zuckt mit den Schultern, nimmt den Hörer ab und wählt. Nach einigen Rufzeichen meldet sich eine kultivierte männliche Stimme und teilt Franziska mit, dass sie nach dem Signalton eine Nachricht hinterlassen könne. Franziska lächelt, denn sie kennt die Stimme bereits. Dann atmet sie kurz durch. »Hier spricht Franziska mit einer Nachricht für Winfried. Es ist schade, dass wir uns so aus den Augen verloren haben. Aber das kann man ändern. Ich würde gerne mit dir über den Weg sprechen, den du zurückgelegt hast. Und über deine Pläne als Hausbesitzer hier in Heidelberg. Aber vielleicht müssen diese Pläne auch nicht unbedingt verfolgt werden, und es kann alles bleiben, wie es ist . . . Rufst du mich an?« Dann gibt sie noch ihre Handynummer durch und legt auf.
Dienstag, 4. Juli
Das Taxi hält auf dem unteren Dorfplatz, weil sich die schwarzen Benze mit den Stuttgarter, Tübinger und Ulmer Nummernschildern bis zur Kirche hinauf stauen. Berndorf bezahlt und steigt aus, die schwarze Krawatte ist zu eng gebunden und das Jackett des dunklen Anzugs kneift in der Taille, seit wann hat er so viel zugenommen? Er geht an den Limousinen vorbei, quer zwischen ihnen parkt ein schwarzer Porsche mit Freiburger Nummer, die Sonne steht schon hoch und brennt den Menschen auf den Kopf, in ihrer dunklen Kleidung streben sie der kleinen weißen Kirche zu, dort wird es kühl sein.
Als er zuletzt hier war, hatten sie auch einen Trauerfall im Dorf, so ist das auf dem Land, bei der Leich’ treffen sich die Leut’. Berndorf geht an den schwarz glänzenden Sänften vorüber, mit einem stillen Nicken grüßt er die anderen Trauergäste, die mit ihm zur Kirche gehen, starr sieht eine von der Osteoporose gekrümmte Frau an ihm vorbei, vor der Kirche stehen die Honoratioren beisammen, er erkennt den Regierungspräsidenten im Gespräch mit Staatssekretär Schlauff und dem Landrat des Alb-Donau-Kreises, ernste Männerworte in schwerer Stunde, beflissen huscht Kriminalrat Englin hierhin und dorthin, die Sicherheitsvorkehrungen überwachend, Berndorf wendet sich zur Seite und tauscht einen kräftigen Händedruck mit einem großen hageren Mann, der vom Alter ein wenig nach vorne gebeugt erscheint, noch ein wenig gebeugter und hagerer, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten . . .
»Ich hab Ihnen einen Platz auf der Empore reservieren lassen«,
sagt Jonas Seifert, denn Berndorf hat ihn am Abend zuvor angerufen und darum gebeten. Die Wieshülener Dorfkirche gehört nämlich zu den Gotteshäusern, in die nicht alle hineingehen, wenn alle hineingehen.
Berndorf geht die kleine steile Stiege zur Empore hoch. Es riecht nach Bohnerwachs und altem Holz und Blumen, und irgendwie hängt dazwischen der Geruch vieler Menschen, die erhitzt und schwitzend in die Kirche gekommen sind. Auf der Empore versammeln sich die Männer aus dem Dorf, rotgesichtig und mit gemessener Würde. Berndorf blickt über die Brüstung auf das Kirchenschiff hinunter, vor dem Altar ist der Sarg aufgebaut, den schwarz-rot-golden die Bundesfahne schmückt. Vier Uniformierte haben zur Totenwache Aufstellung genommen und sehen nach der Kameradschaft der
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