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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Christophsbrunn zum Abschiedsbesuch da. Alpenfestung? Er widerspricht nicht. Ganz und gar nordischer Mensch, kalten Auges im Weltenbrand.
    Montag, 23. April. Wir legen die weißen Laken bereit. Johanna hat noch blauen Stoff gefunden. Daraus, aus Bettlaken und dem Stoff der anderen Fahnen schneidern die Zöglinge blau-weiß-rote Trikoloren. Den Rest der anderen Fahnen verbrennen wir am Abend. Der Führer hat Göring aus allen Ämtern entlassen. Zu spät, zu spät . . .
     
    Missmutig schlägt Grassl das Heft zu. Wendehals, so geschwätzig wie der Schwiegersohn. Wozu hat man das aufgehoben? Nicht einmal der Stern kauft mehr solches Zeug . . .
    Er schließt die Augen. Den Tag hatte er in Stuttgart verbracht, in der Landesbibliothek, denn er liebt den Geruch der Bücher, das beredte Schweigen der Regalreihen, in deren Beständen sich die unerwartetsten Einblicke finden lassen, die Augen-Leidenschaft ... Nur – es hat sich nichts entzündet. Kein Feuer. Keine Einblicke. Nur Staub und Gilb. Gewiss, er hat sich Notizen gemacht, hat sogar halbe Gedichte abgeschrieben. Aber nichts davon will sich zu einem Referat fügen. Über einen der bekannteren elsässischen Autoren von anno dazumal hat er notiert, dieser habe zum beharrend-völkischen Lebensgrund der Dichtung zurückführen wollen . . . Das stand so in einer renommierten, lange nach 1945 herausgegebenen Literaturgeschichte, wie bestellt für die Suevo-Danubia, dachte er in seiner ersten Begeisterung, bis er versuchte, den Satz nachzusprechen. Es ging nicht. Kein Mensch kann »beharrend-völkisch« sagen, ohne komisch zu wirken.
    Warum können diese Professoren keine Literaturgeschichte
herausbringen, die ein armer Teufel auch einmal einfach abschreiben kann? Ist doch nicht zu viel verlangt. Müde und besorgt war er nach der Rückfahrt von Stuttgart den Osterberg zum Verbindungsheim hinaufgegangen, aber dann hatte ihm der Hausmeister die beiden gewichtigen Pakete gebracht . . . Für einen Augenblick hatte sein Herz höher geschlagen.
     
    Eilends und mit mütterlicher Sorgfalt hatte Roswitha Bullinger die beiden Pakete noch am Samstag bei der Nördlinger Post aufgegeben. Nun liegen vor Grassl die Hefte mit der Sütterlinschrift des Johannes Grünheim, dazu Zeitungsausschnitte und gelbfleckige Broschüren, alles Unterlagen höchst vertraulicher Natur , wie Zundt geraunt hatte. In Grassl keimt ein hässlicher Verdacht.
    Wenn er es richtig weiß, ist Johannes Grünheim erst 1967 in die Grube gefahren. Warum, so überlegt Grassl, bricht Grünheims Tagebuch kurz nach 1945 ab? Warum ist nichts zu finden darüber, wie Zundts Schwiegervater sich über die Zeiten der Entnazifizierung schlaumeiert, und nichts darüber, wann und mit welcher Hilfe er den Faden wieder aufnimmt für das Gespinst seines spendenreichen Hilfswerks?
    Grassl blättert durch, was Zundt ihm außer dem schwiegerväterlichen Tagebuch sonst noch anvertraut hat. Das heißt, anvertraut hat Zundt es ihm nur scheinbar, nur zum Schein, denn in Wahrheit war es ein Ablenkungsmanöver gewesen, so viel begreift Grassl jetzt. Er sollte die beiden Kurzgeschorenen auf sich ziehen, als Lockvogel, unwissend gebrandmarkt, als ob Zundt ihm eine Schießscheibe auf den Rücken geklebt hätte. Dabei hatte er ihm nur Altpapier mitgegeben, Spielmaterial, um seine Verfolger sich den Kopf darüber zerbrechen zu lassen, nachdem sie es aus ihm herausgeprügelt hatten . . .
    Ja, Zundt. Hast du dir fein ausgedacht. Zu fein. Wer liegt denn jetzt in der Kiste? Plötzlich wieder heiterer im Gemüt, schiebt Grassl den Stapel mit den Wachstuchheften zur Seite. Er greift sich einen dickleibigen broschierten Jahresband der Oberrheinischen Heimat , Ausgabe 1940, gewidmet dem Elsass,
denn damals ist es gerade eben und mal wieder deutsch geworden. »Vielleicht kann keiner im Reich es uns am Oberrhein ganz nachfühlen, mit welcher freudigen Eile wir über die Brücken unserer Pioniere gingen, hinüber ins heimgenommene Land am anderen Ufer unseres heiligen Stromes« , schreibt der Herausgeber. Grassl liest es, und plötzlich gerät er ins Träumen. Vor sich sieht er Kompanien von Heimatschriftstellern, vorrückend über die Pionierbrücken, das Samtbarett in die Stirn gedrückt, die Knickerbocker frisch gebügelt, ausschwärmend ins heimgenommene Land, ein hübscher Ausdruck, wer heimgenommen werden soll, braucht nicht erst gefragt zu werden . . .
    Er blättert den Band durch. Nicht nur die Heimatschriftsteller eilen freudig in jenem Sommer. Auch

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