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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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irgendetwas ist ihm unbehaglich, »aber ich war kein Marcomanne, Cimbria war mein Panier, sehr tatkräftige Nachwuchsarbeit, ähnlich wie bei Ihnen, habe ja auch ein Semester lang den Job als Fuchsmajor ausgekostet . . .«
    Vorne an der Ampel wird es gelb, der Fuchsmajor legt den Gang ein und lässt die Kupplung kommen. Der Motor spuckt, als liefe er auf drei Töpfen. Sie rollen an Schulmädchen vorbei, die vom Gehsteig aus den einen oder anderen nabelfreien Seitenblick in das Cabrio fallen lassen.
    »Sie werden weitere solche Vorträge halten?«, setzt der Fuchsmajor nach. »Vielleicht in Heidelberg?«
    Das Unbehagen, das Grassl empfindet, tritt aus dem Dunkel. Gleich wird es Konturen bekommen. »Nicht eigentlich«, antwortet er, »ich arbeite an einem Projekt, das Lernmaterial für den Unterricht in deutscher Sprache und Literatur zur Verfügung stellen soll – für den Unterricht im Ausland, weshalb dies alles sehr vertraulich behandelt werden muss . . .«
    »Sehr vertraulich, ich verstehe«, antwortet der Fuchsmajor bedächtig und fährt das Cabrio ins Halteverbot gegenüber dem Eingang zum Tübinger Hauptbahnhof.
    »Also keine Vorträge mehr vor Verbindungen, das ist auch besser so, sehr viel besser . . .« Er dreht sich zu Grassl um und
sieht ihm in die Augen. »Ich habe einen Freund in Erlangen, ein Cimbrione, wie es sich fügt, und ich habe ihn heute früh angerufen . . .«
    Ja doch, denkt Grassl. Sicher hast du einen Freund in Erlangen. Immer ist das so. Immer müssen irgendwelche Ärsche irgendwo anrufen, andere Ärsche ausholen. Er löst seinen Blick von den Augen des Fuchsmajors und sucht nach dem Türgriff.
    »Machen Sie sich keine Mühe«, sagt der Fuchsmajor, »wir stehen dicht neben einem Pfosten, sodass Sie die Tür nicht aufkriegen würden. Wollen Sie nicht die lustige Geschichte hören, die mir mein Erlanger Freund erzählt hat? Er hatte gestern Kneipe und war eigentlich nicht ansprechbar. Aber als ich Ihren Namen genannt habe, wurde er auf der Stelle hellwach, als ob ich ihn angestochen hätte. Und die Geschichte sprudelte nur so, die Geschichte von dem strebsamen Studenten und Kofferträger, der sich nützlich macht, gefragt und ungefragt, typisch kleinbürgerlicher Möchtegern-Aufsteiger, hat fast schon eine halbe Assistentenstelle sicher, bis man ihn nachts vor dem Schlafzimmerfenster der minorennen Professorentochter aufgreift . . . Hübsch, nicht?«
    »Ja«, sagt Grassl. »Hübsch. Sehr lustig. Es war sehr nett von Ihnen, dass Sie mich zum Bahnhof gebracht haben. Aber könnten Sie jetzt etwas vorfahren, damit ich aussteigen kann?«
    »Gleich«, antwortet der Fuchsmajor. »Gleich dürfen Sie aussteigen. Aber vorher sollten Sie doch auch wissen, warum Sie so davonkommen. Es ist nämlich durchaus keine Empfehlung für uns, dass wir auf Sie hereingefallen sind, Herr Doktor Grassl. Bei wem hätten Sie eigentlich promovieren wollen? Bei dem Prof, dessen Töchterchen Sie nächtlicherweile betrachten wollten? Aber ich schweife ab. Wir machen Ihnen keinen Ärger, weil die Sache für uns peinlicher wäre als für Sie. Altmodisch ausgedrückt: Sie sind nicht satisfaktionsfähig. Aber täuschen Sie sich nicht. Wir werden sämtliche Verbindungen, Landsmannschaften, Corps und Burschenschaften über Sie in Kenntnis setzen.« Er lässt das Cabrio anrollen,
um einige Meter weiter vorne, gegenüber dem Taxistand, wieder zu halten. »Per E-Mail geht das ruck, zuck. Und nirgendwo werden Sie Ihre Schnorrermasche mehr abziehen können. Nirgends. Und jetzt raus.«
    Grassl steigt aus und greift sich vom Rücksitz seine Tasche, in der sich nicht viel mehr befindet als die Kombination, die er aus der Reinigung geholt hat, und des alten Zundt Altpapier. Der Fuchsmajor drückt aufs Gaspedal und lässt Grassl allein zurück, allein mit seiner Segeltuchtasche und umgeben von einer bläulichen Abgaswolke.
    In einer halben Stunde bin ich weg aus Tübingen, denkt Grassl. Er tastet nach der Augenbraue, die er sich aufgeschlagen hatte. Sie fühlt sich an, als sei der Riss schon fast geheilt.
    Na also. Und Vorträge hasst er sowieso. Viel zu sauer verdientes Geld. Über den Zebrastreifen geht er zum Portal des Hauptbahnhofs, gelassen, ruhig. Heiter? Heiter.
     
    Bis in die Achtzigerjahre war das Ulmer Bahnhofsrestaurant eine Zuflucht der Handlungsreisenden gewesen, die dort, mühselig und beladen, eines Schweizer Wurstsalats sicher sein konnten oder eines Tellers Spaghetti bolognese, während sie im trüben Funzellicht der

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