Die schwarzen Raender der Glut
schmale hohe Porträtbüste aus grauem Granit, außerdem ein schwarzes Telefon, noch mit Wählscheibe. Daneben liegt ein Telefonbuch. Die dunkle lederne Schreibunterlage ist leer. »Wir haben uns erst vergewissern müssen«, fährt Schatte fort, »dass Sie niemand mitgebracht haben.«
Berndorf steht in der Mitte des Raumes, das Zimmer liegt im Zwielicht, denn draußen hat eine Wolkenfront den Tag verdunkelt. Hinter ihm lehnt Dülle an einer Bücherwand, das
Schnellfeuergewehr lässig im Arm. Es ist ein plumpes eckiges Ding mit Zielfernrohr. Rechts sitzt Kai Habrecht, den Arm noch immer in der Schiene. »Ein unverhofftes Wiedersehen«, sagt Berndorf und nickt Habrecht zu. Dann greift er sich den Ledersessel, der vor dem Schreibtisch steht, und setzt sich.
Hastig steht Habrecht auf und schwankt, weil er mit seinem geschienten Arm das Gleichgewicht nicht richtig halten kann. »He«, sagt Dülle, »dazu hat Sie niemand eingeladen.«
Berndorf hebt beruhigend die rechte Hand. »Wir wollten uns doch freundlich unterhalten. Also machen Sie halblang.«
»Allerdings wollten wir uns unterhalten«, antwortet Schatte. »Sie werden uns etwas erzählen. Darüber, was Sie hier tun. Und in wessen Auftrag.«
»Ich kümmere mich darum, dass die Leute hier lebend herauskommen. Zum Beispiel der junge Herr da hinten mit seiner Kugelspritze, aber auch unser Freund Habrecht, und ebenfalls Sie, verehrter Herr Professor Schatte.«
Habrecht macht einen Schritt auf ihn zu. »Wart du erst ab, bis ich mit dir fertig bin . . .«
Mit einer ärgerlichen Handbewegung winkt Schatte ab. Dann stützt er die beiden Ellbogen auf dem Schreibtisch auf und verschränkt die Hände unterm Kinn. »Unser Besucher ist ein Scherzbold. Er fragt Trauergäste, ob sie eine silberne Kette gesehen haben. Und ausgerechnet jetzt sorgt er sich um den Wanst anderer Leute. Sehr komisch.« Langsam setzt sich Habrecht wieder, den auf der Stützschiene aufgelegten Arm anklagend in den Raum gestreckt.
»Diese Gangster-Nummer haben Sie nicht gut drauf, Schatte«, antwortet Berndorf. »Vergessen Sie nicht, dass Sie ein deutscher Hochschullehrer sind. Aber Sie sind nicht in Form. Eigentlich ist Ihnen alles schief gelaufen. Sie sind zu nervös. Sie wollen zu viel. Wenn Sie ein solches Ding vorhaben wie das im Elsass – warum schicken Sie dann vorher Ihren Dilettanten Habrecht los, um den kleinen Micha Steffens und sein jämmerliches Anzeigenblatt aufzumischen? Steffens war doch drei Nummern zu klein für Sie . . .«
»Haben Sie schon einmal überlegt, Berndorf, dass Sie das auch sind?«, fragt Schatte und lehnt sich zurück. »Nämlich drei Nummern zu klein.«
»Wegen dieses Schwachsinns ist Ihnen Habrecht ausgefallen«, fährt Berndorf fort. »Von einem Menschen, der kaum richtig durch eine Tür kommt, hätten ihre moslemischen Hiwis keine Anweisungen entgegengenommen. Übrigens auch nicht von einer Frau. Deswegen konnten Sie auch ihre Assistentin nicht vorschicken, wie Sie das sonst gerne getan hätten, sondern mussten selbst zur Philatélie Charles Roos ...« Er blickt Schatte an, dessen Gesicht keine Reaktion zeigt. »Sie werden sich wohl daran erinnern, es war ja erst gestern. Aber inzwischen sucht die französische Polizei Sie mit internationalem Haftbefehl. Verschwörung, Mordversuch, Bildung einer terroristischen Vereinigung, was weiß ich, was sie im französischen Strafrecht dafür alles an Folterwerkzeugen haben.«
Berndorf dreht sich zu Dülle um. »Weißt du eigentlich, dass in zwei oder drei Stunden die SEK-Leute hier anrücken werden? Und wenn sie dich und dein Macho-Spielzeug sehen, reden die nicht mehr lange mit dir. Du hast gar keine Ahnung, wie schnell dann aus wie vielen Löchern dir das Blut herauslaufen wird. Die SEK-Leute schießen nämlich nicht mit Gotcha-Kugeln. Aber wenn du es weißt, wird es zu spät sein.«
»Der hat sie doch nicht alle«, sagt Dülle und blickt unsicher im Zimmer umher.
»Was soll das mit dieser Briefmarkenhandlung?«, fragt Schatte. »Wer setzt solchen Quatsch in die Welt?«
»Kein Quatsch, Meister. Nicht wahr, Habrecht?« Die Blicke der drei anderen richten sich auf den Mann mit dem geschienten Arm.
»Was schaut ihr so?« Selbst im Zwielicht sieht man, dass Habrecht blass geworden ist.
»Dieser Tölpel hat Ihnen alles verdorben, Schatte«, sagt Berndorf. »Wahrscheinlich hat er Ihnen aus lauter Schiss nicht einmal gesagt, dass ich ihm den Zettel mit der Straßburger Telefonnummer abgenommen habe . . .«
»Was ist
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