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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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weit gestreckten Feldern blicken. Unterhalb der Kuppe zweigt ein geteerter Weg von der Straße ab, führt an den Feldern vorbei und in den Wald, der linker Hand liegt. Auf ein Zeichen Tamars folgt Orrie dem Weg. Unmittelbar vor dem Waldrand bricht der Asphalt ab. Orrie hält.
    Tamar und Kuttler steigen aus. Im Schatten der Bäume ist der Modder, der auf dem Fahrweg liegt, feucht geblieben. Deutlich zeichnen sich Reifenprofile ab.
    »Gürtelreifen«, sagt Kuttler, »fast neuwertiger Zustand.«
    Sie gehen ein paar Schritte weiter und kommen auf etwas, das wie ein Waldparkplatz aussieht. Hinter einem Holzstoß ist eine dunkle Limousine geparkt.
    Es ist ein schwarzer Daimler mit Ludwigsburger Kennzeichen. Kuttler wirft einen fragenden Blick zu Tamar. Aber die sagt nichts, sondern wendet sich einem mit Buchen bestandenen
Waldstück zu, in der Richtung, in der die Sonne steht. Vorsichtig gehen sie an den glatten silberhellen Baumstämmen vorbei.
    Die Sonnenstrahlen, die durch das Laub fallen, überziehen Tamars Gesicht und Gestalt mit einem Netz wandernder Lichtflecken.
    Eine Leopardin, denkt Kuttler. Kannst von Glück sagen, dass sie keine Männer frisst.
    Dann hält Tamar inne, und einen Schritt danach auch Kuttler. Am Waldrand sehen sie den Oberförster vom Silberwald und seinen Adjunkten. Der Oberförster hat kein Gewehr, sondern ein Fernglas, und sein Adjunkt beugt sich über etwas, das wie ein Stativ aussieht.
    »Guten Tag«, sagt Tamar und geht auf den Oberförster zu. Er ist ein Mann Ende fünfzig, die grauen Haare akkurat gescheitelt, trägt Kniebundhosen und eine Windjacke. Während er Tamar grußlos aus kalten Aufseheraugen betrachtet, schreckt sein Adjunkt hoch. Auch er steckt in Kniebundhosen und Jacke, ist aber etwas jünger als der Oberförster, mit krausen dunklen Haaren.
    Und dann, nach einer Schrecksekunde, dieser gleiche Blick. Wie eingeschaltet, denkt Kuttler. Als könne ihn keiner. Irgendwoher kenn ich das doch. Auf dem Stativ steht eine Kamera mit Teleobjektiv. Unter ihnen im Tal sieht man das breitgestreckte Walmdach der Johannes-Grünheim-Akademie.
    »Gehört Ihnen der Wagen mit dem Ludwigsburger Kennzeichen?« , fragt Tamar und hält dem Oberförster ihren Dienstausweis vor die Aufsichtsaugen. »Fahrzeugkontrolle. Ich hätte gerne Führerschein und Fahrzeugpapiere gesehen.« Der Oberförster weist mit dem Kinn zu seinem Adjunkten.
    »Darf ich Sie fragen, junge Frau, welchen Anlass es zu dieser Überprüfung gibt?« Seine Stimme hat den leicht nasalen, herablassenden Anklang des Stuttgarter Schwäbisch.
    Tamar wiederholt, dass sie Fahrzeugpapiere und Führerschein sehen will.
    Der Adjunkt sagt, dass er sie im Wagen hat. Er wendet sich
an den Oberförster. »Geben Sie solange auf die Kamera Acht?« Dann macht er Anstalten, zu seinem Daimler zu gehen.
    »Schönes Gerät, das Sie da haben«, sagt in diesem Augenblick Kuttler und betrachtet Kamera und Objektiv. »Teure, professionelle Ausrüstung. Würd’ ich auch nicht so stehen lassen. Was fotografieren Sie denn Schönes da unten im Tal?«
    Der Adjunkt verharrt und wirft wieder einen Blick zum Oberförster. »Wir sind vom Verein der Vogelfreunde«, sagt er dann. »Aus Ludwigsburg. Wir arbeiten an einer Dokumentation über bedrohte Vogelarten.«
    Das sei aber sicher interessant, meint Kuttler. »Und was haben Sie speziell im Visier? Turmfalken vielleicht? Ich wusste gar nicht, dass vorne am Steig welche nisten. Oder doch nicht unten auf der Akademie?«
    »Äh, nein«, antwortet der Adjunkt, »keine Turmfalken, sondern Wanderfalken.«
    »Jetzt wird es aber richtig spannend«, sagt Kuttler. »Wenn Sie hier oben am Albtrauf Wanderfalken finden, ist das so gut wie eine ornithologische Sensation. Seit Jahren haben die Leute vom BUND hier keine mehr gesichtet. Sie sagen, der Uhu hat die Falken verdrängt.«
    Der Adjunkt schweigt, und der Oberförster hat einen rötlichen Anflug im Gesicht bekommen. Für einen Augenblick herrscht Stille.
    »Ich glaube, Sie kommen jetzt am besten beide mit uns«, unterbricht Tamar das Schweigen. »Wir müssen Ihre Personalien überprüfen.«
    Die beiden bleiben stehen. »Das ist nicht nötig, junge Frau«, sagt der Oberförster mit verbissenem Gesicht und zeigt nun selbst einen Ausweis, auf dem unübersehbar das Landeswappen zu erkennen ist. Der Adjunkt folgt seinem Beispiel.
    »Wie es sich fügt«, sagt Kuttler, »die Herren Ornithologen kommen aus der Stuttgarter Taubenstraße und sind vom Landesamt für Verfassungsschutz!

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