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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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länger trennen, wer die Kurtisane war, die ihn an sich gebunden hatte, und wer die Zwillingsschwester. Im düsteren Mondlicht, in dem schmerzhaften Augenblick des Verlustes, schienen sie miteinander zu verschmelzen. Gegen jeden Instinkt der Selbsterhaltung riß Arakasi ihren Körper an sich. Er streichelte sie, die mit weit aufgerissenen Augen reglos in seinen Armen hing, bis sie zitterte, keuchte und nach einer kleinen Ewigkeit schließlich aufhörte zu atmen.
    Arakasi hatte das Gefühl, als wäre er geschlagen worden. Seine Nägel hatten sich in seine Handinnenflächen gebohrt, sein Lippen waren zerbissen. Es wurde ihm übel von dem salzigen Geschmack auf der Zunge und dem Gestank des Todes, der in seine Nase drang. Er bemerkte kaum die noch lebende Frau, die in den blutverschmierten Laken stöhnte. Seine Gedanken nahmen ihr Gemurmel zwar wahr, verstanden es aber nicht. Arakasi holte tief Luft und bewegte sich. Sein Herz schien stillzustehen, als die tote Frau aus seinen Armen glitt. Mechanisch reagierte er auf ein Geräusch hinter sich, drehte sich um und riß ein Messer heraus. Sein Wurf saß beinahe richtig. Der Diener, ein Kastrierter, dem die Leitung des Harems unterstand, hatte nach seinen Schützlingen sehen wollen. Das Messer verursachte einen glänzenden Schnitt an seinem Hals. Er riß den Mund auf und prallte gegen den Türpfosten. Schnell war Arakasi immer gewesen, doch jetzt waren seine Glieder unbeholfen, als er über das zu Boden gefallene Mädchen stolperte. Seine Füße verfingen sich in den blutverschmierten Laken. Er versetzte dem Kastraten einen heftigen Hieb in den Bauch und schlug ihn zur Seite. Der sterbende Mann besaß noch eine unheimliche Kraft. Arakasi suchte nach einem Halt und rutschte. Er grub seine Finger in die Wunde und erkannte an der Blutfontäne, die in sein Gesicht spritzte, daß er die Arterie getroffen hatte. Mit den Handknöcheln hinderte er den Mann am Schreien, mußte dafür aber einen Biß ertragen, der bis auf den Knochen ging.
    Wären die Wächter des toten Obajan nicht damit beschäftigt gewesen, das Anwesen nach einem Attentäter zu durchkämmen, der nach allen Regeln um sein Leben fliehen mußte, hätte der Kampf Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dennoch erschien es Arakasi ziemlich unwirklich, wie er an einem sterbenden Mann hing, der schräg an den Wandbehängen hinabgerutscht und dann gegen Kommoden und Tisch gefallen war. Es dauerte einige Zeit, bis der Kastrat tot war. Als seine Glieder schließlich erschlafften, taumelte Arakasi aus dem Raum.
    Er hatte das Haus niemals von innen gesehen. Der Orientierungssinn, den er während seiner Wartezeit unter dem Dach hatte entwickeln können, verließ ihn jetzt, als er die Berichte suchte, die das Herz der Tong bildeten. Eine solche Schriftrolle verzeichnete jeden Vertrag und seine genaue Ausführung in Chiffren, die nur der Obajan kannte. Den Mittelsmännern wurde nichts als der Name jener Person mitgeteilt, die sterben sollte.
    Die Aufzeichnungen der Tong waren das Erbe des Tiranjan, der nach dem Attentat die Leitung übernehmen mußte. Die Schriftrollen würden also nicht ungeschützt irgendwo liegen, und noch bevor die Unruhe durch die Suche nach dem Attentäter erstarb, würde der in eine geblümte Robe gekleidete Berater des Obajan den Tiranjan losschicken, sie zu holen.
    Arakasi hörte entfernte Stimmen und einen Schrei. Seine Zeit in diesem Haus beschränkte sich jetzt auf weniger als ein paar Minuten, und sein Kopf war noch ganz benommen von den Erinnerungen an den qualvollen Tod einer jungen Frau. Er zwang sich mit aller Gewalt, seine letzten Vermutungen zu überdenken, als er Stunden in der stickigen Lücke unter dem Dach verbracht hatte. Dies war ein Freudenhaus, und der Obajan hatte sich Zeit für seine Vergnügen genommen. Die Schriftrolle, die niemals weit von ihm entfernt sein würde, mußte hier sein, an einem dafür vorgesehenen Ort. Die Tür mit der festesten Konstruktion mußte der Tresorraum sein, wo die Tong-Rollen aufbewahrt wurden.
    Arakasi huschte den Gang entlang, so weit wie möglich in den Schatten bleibend. Er löschte die Laternen, wo er es wagte, zitternd und bei jedem entfernten Geräusch zusammenfahrend. Er kam um eine Ecke und stieß beinahe mit einem Mann zusammen, der ihm den Rücken zuwandte. Das Klirren, als er sein letztes Metallmesser herauszog, veranlaßte den Mann, sich umzudrehen. Er war ein Krieger, eingeteilt zur Bewachung einer verschlossenen Tür. Arakasi hechtete vor und

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