Die Schwarzen Roben
entschied er sich willkürlich für eine Richtung. In gequälter Ironie fragte er sich, ob sein Gegner im Spiel der Intrigen, Chumaka von den Anasati, auch einen solch menschlichen Fehler hatte und ohne Liebe lebte. Oder, wenn nicht, ob die neue Verletzlichkeit ihn wohl dem Angriff eines Mannes aussetzte, der bereits eine unheimliche Liebe für das Spionieren besaß und Maras unerbitterlicher Feind war.
Arakasi zermarterte sich das Gehirn; der Klang der in der Nacht munter werdenden Tiere erschien ihm wie Spott und Hohn. Er empfand in diesen wenigen Minuten mehr Qualen als in allen bisherigen Jahren seines Lebens, und eilte erschöpft, voller Furcht und doch jubelnd weiter, einer Zukunft und einem Ziel entgegen, das beängstigender war als alles, was er hinter sich gelassen hatte.
Vierzehn
Offenbarung
Der Nebel löste sich auf.
Arakasi ging benommen vor Müdigkeit durch das Viertel am Fluß von Jamar. Er hatte in den vergangenen Nächten alles getan, um seine Spuren zu verwischen, und dennoch wagte er es nicht, zum Ausruhen anzuhalten. Die Tong waren irgendwo hinter ihm, sie folgten ihm wie die Hunde der Fährte eines Wildtiers. Sie würden ihn in dieser Stadt inmitten der zehntausend Fremden verlieren und sich der anderen Spur zuwenden – jener, die zu Kaminis Schwester führte. Es blieben ihm nur wenige Tage, bevor sie Kamlio fanden.
Da Mara noch immer im Kaiserlichen Palast weilte, würde er all die kostbare Zeit, die er gewonnen hatte, verlieren. Die schnellste Handelssänfte mit zwei zusätzlichen Mannschaften aus Läufern hatte ihn in einer Woche von Ontoset nach Jamar gebracht. Schlaf war auf der holprigen Reise nicht möglich gewesen, doch sein drogengeschwächter Körper war mehrere Stunden am Tag, wenn die Träger eine Pause machten, in eine tiefe Benommenheit gefallen.
Jetzt, sechs Tage, nachdem er den Obajan getötet hatte, hatte er die erschöpften Sänftenträger am Eingang zu Jamars Hauptmarkt bezahlt und sich dann unter die Arbeiter gemischt, die die Verkaufsstände der Kaufleute aufstellten und die Waren auslegten. Jamar war der geschäftigste Handelsplatz im Kaiserreich, und das Viertel am Fluß bildete eine kleine eigene Gemeinschaft, wo auf See gehende Schiffe auf Flußboote trafen. Arakasi fand einen Bettlerjungen vor einem Bordell, das um diese frühe Stunde am Morgen noch geschlossen war. Er hielt eine Münze im Wert von hundert Centis hoch – das war mehr, als der Junge in einem ganzen Jahr erbetteln konnte. »Was ist der schnellste Weg flußaufwärts?«
Der Junge sprang auf und gestikulierte, um ihm zu zeigen, daß er nicht sprechen konnte. Arakasi bedeutete ihm, es zu zeigen. Der Junge schoß durch die Menge, die sich vor dem Stand des Wurstverkäufers versammelt hatte, und führte ihn flußaufwärts zu einer Anlegestelle, wo rund ein halbes Dutzend kleinerer Boote festgemacht war. In der Nähe eines beleibten Bootsmannes gestikulierte der Junge, daß hier der Ort wäre, wo Arakasi zu sein wünschte. Der Supai gab ihm die Münze.
Die Übergabe entging dem Bootsmann nicht, der den unsauberen Mann bisher ebenfalls für einen Bettler gehalten hatte. Als er die Münze sah, warf er ihm noch einen abschätzenden Blick zu und lächelte breit. »Ihr sucht eine Reisemöglichkeit flußaufwärts?«
»Ich muß Kentosani so schnell wie möglich erreichen«, antwortete Arakasi.
Stolz breitete sich auf dem rundlichen Gesicht des Mannes aus. »Mir gehört das schnellste Boot in der Stadt, guter Herr.« Er deutete zum Fluß auf ein niedriges, sauberes Botenboot mit einer winzigen Kabine, das in einiger Entfernung vom Pier angebunden war. »Ich nenne sie Flußherrin. Vier Bänke für acht Ruderer und volle Segel.« Arakasi begutachtete ihre Konturen und die wirkungsvollen dreieckigen Segel. Sie war möglicherweise nicht ganz so gut wie die Prahlerei ihres Besitzers, doch er würde auf der Suche nach einem unwesentlich schnelleren Boot nur unnötig Zeit verlieren.
»Sie macht einen ordentlichen Eindruck«, erklärte Arakasi neutral. »Sind die Ruderer an Bord?«
»Allerdings«, sagte der Kapitän. »Wir warten auf einen Händler aus Pesh, der nach Sulan-Qu möchte. Er hat die Kabine, doch wenn Ihr bereit seid, zunächst auf Deck zu reisen, könnt Ihr sie von Sulan-Qu bis Kentosani benutzen. Der Preis beträgt normalerweise fünfhundert Centis, aber da Ihr das Boot die Hälfte der Zeit teilen müßt, nehme ich dreihundert.«
Arakasi griff in eine verborgene Tasche in seinem Ärmel und zog einen
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