Die Schwarzen Roben
Silberklumpen von der Größe eines Daumennagels hervor. Beim Anblick des glänzenden Metalls von mehr Wert, als jeder Bootsmann jemals auf einmal zu sehen erwarten konnte, weiteten sich die Augen des Kapitäns. »Ich nehme die Kabine«, sagte Arakasi fest entschlossen. »Und wir fahren sofort. Der Händler aus Pesh muß sich nach einem anderen Gefährt umsehen.«
Welche ethischen Widerworte dem Kapitän auch auf der Zunge gelegen haben mochten, sie erstarben sofort. Angesichts des angebotenen Reichtums stolperte er beinahe nach hinten, als er sich beeilte, Arakasi zu dem Dingi zu geleiten, das am unteren Ende der Anlegestelle schaukelte. Sie stiegen die Leiter hinab, und der Kapitän ruderte, als würden zehntausend Dämonen ihn verfolgen, damit nicht womöglich noch der Händler auftauchte und die Ehre von ihm verlangen würde zurückzukehren.
Arakasi ging an Bord, während der Kapitän das Dingi am Anlegeplatz vertäute und die Flußherrin losmachte. Der grüne Rumpf war unsauber bemalt, doch es gab keine Anzeichen von Fäulnis oder mangelhafter Wartung. Der Kapitän mochte ein sparsamer Mann sein, aber er hielt sein Boot in Ordnung.
Die Ruderer und der Steuermann erhielten ihre Befehle, und der Kapitän führte Arakasi zu der winzigen Kabine, während die Flußherrin wendete und ihren Weg in der Strömung flußaufwärts nahm.
Die Kabine war wenig mehr als ein kleiner Schuppen mittschiffs zwischen dem Steuer und den Ruderern, doch es gab genug Platz zum Schlafen für zwei Leute. Zwei kleine Luken an beiden Seiten ließen ein wenig Licht herein, und eine kleine Öllampe würde nachts für Licht sorgen. Die Kabine war dunkel und modrig, ein schwacher, muffiger Geruch von altem Lampenöl und dem Parfüm des Vorgängers. Die Luken hatten verblaßte Seidenvorhänge, und die Kissen waren an den Kanten abgewetzt und mitgenommen, doch Arakasi hatte schon Schlimmeres gesehen.
»Es wird gehen«, sagte er. »Nun, da ist etwas, das ich verlange: Niemand darf mich stören. Jeder, der die Kabine betritt, bevor wir Kentosani erreichen, wird sterben. Ist das klar?«
Arakasi war nicht der erste merkwürdige Passagier des Bootsbesitzers, und angesichts des Preises, den Arakasi bezahlt hatte, waren seine Bedingungen kein Hindernis.
Arakasi setzte sich hin und schloß die kleinen Türen, dann holte er das Bündel aus seiner Robe hervor. Er hatte die Aufzeichnungen der Tong stets dicht am Körper getragen, seit er vom Besitz des Obajan geflohen war. Jetzt, als er die erste Möglichkeit hatte, sich die Seiten anzusehen, begann er mit der Aufgabe, die kodierten Einträge zu studieren. Doch die fremden Zeichen verschwammen vor seinen Augen. Sein Kopf sackte vornüber auf das vergilbte Pergament, und er fiel in einen tiefen Schlaf.
Als er das Bewußtsein wiedererlangte, zeigte ihm ein Blick durch eine der Luken, daß sie auf halbem Weg zur Heiligen Stadt waren. Er hatte zwei Tage und eine Nacht durchgeschlafen. Er nahm etwas von dem Früchtekorb, der vermutlich für den Kaufmann aus Pesh hingestellt worden war, und begann, die Chiffren der Tong zu entziffern. Es war ein raffinierter Kode, aber nicht unlösbar für Arakasi, der die nächsten drei Tage ohnehin nichts anderes zu tun hatte. Es gab vier Spalten, und er vermutete, daß jeder Eintrag aus vier verschiedenen Informationen bestand: das Vertragsdatum, der vereinbarte Preis, der Name des Ziels und der Name der Person, die den Vertrag abgeschlossen hatte. Bis auf die paar letzten waren alle abgehakt.
Arakasi blätterte in den Berichten zurück, bis er auf einen anderen Eintrag ohne Häkchen stieß. Er schätzte, daß es sich um Maras Namen handelte, und die Person, die den Preis aussetzte, mußte Desio von den Minwanabi sein. Noch weiter zurück fehlte wieder ein Haken, und dort stand ebenfalls Maras Name bei dem Eintrag, zusammen mit Desios Vater Jingu. Der Vergleich der Einträge verdeutlichte, daß es sich um einen sehr komplexen Kode handelte, der einen mit jedem Eintrag leicht abgewandelten Schlüssel benutzte.
Stundenlang studierte Arakasi die Seiten, versuchte die eine, dann die andere Lösung, verwarf eine dritte. Doch nach anderthalb Tagen harter Arbeit begann er allmählich, ein Muster in den Veränderungen zu erkennen.
Als er Kentosam erreichte, hatte er den Bericht übersetzt und mehrere Male durchgesehen. Er ließ sich Stift und Papier vom Kapitän bringen und fertigte für Mara einen Schlüssel an, da er sich aus Furcht, der Bericht könnte in andere Hände
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