Die Schwarzen Roben
Zusammenhang gebracht werden mit Bürgerunruhen achthundert Jahre zuvor, zweihundert Jahre nach der Gründung des Kaiserreiches, oder mit einer anderen Periode vierhundert Jahre später, als von einem Krieg zwar nicht die Rede war, doch eine Übersicht der Familienstammbäume zeigte, daß Erbschaften an erste und zweite Cousins gingen und eine ungeheure Zahl von minderjährigen Erben auftauchte. Falls eine Seuche für solche Einbrüche in ansonsten gut etabliere Dynastien verantwortlich war, so stand davon zumindest nichts in den Texten.
Die Steuerrollen aus jener Zeit zeigten ebenfalls einen Anstieg der erhobenen Beträge, und die Hauptbücher der Schatzkammer enthielten seltsame Lücken und leere Zeilen für Eintragungen darüber, wie ein solcher Reichtum ausgegeben wurde. Jetzt wartete Arakasi auf die Liste der Kaiserlichen Kommissionen für die zwei Perioden, die er untersuchte. Wenn der Seneschall des Kaisers Zahlungen an Gildenmaler für die Anfertigung von Schlachtszenen vorgenommen haben sollte, hatte es auch ganz sicher einen Krieg gegeben. Dann konnten die Tempelberichte nach Schenkungen untersucht werden – von wohlhabenden Witwen, die so dafür sorgten, daß der auf dem Schlachtfeld dahingeschiedene Geist ihres Mannes eine freundliche Beurteilung durch die Götter erfuhr. Arakasi runzelte die Stirn. Wenn es ihm gelang, den Beweis für einen Krieg zu erbringen, konnte er Familiengeschichten durchforsten und vielleicht in persönlichen Bereichen Tatsachen aufstöbern oder Tagebucheinträge von verstorbenen Herrschern, die von einem Konflikt erzählten, der außerhalb der öffentlichen Aufzeichnungen ausgetragen wurde.
Mara war in ihren Anweisungen sehr umsichtig gewesen, vermutlich aus Achtung vor den Bedenken ihres Supai gegenüber der Weiterführung seiner Arbeit. Sie machte sich keine Illusionen: Sie wußte genausogut wie er, daß seine Verbindung zu Kamlio ihn verletzlich machte. Doch würde sie sein Herz und seine Fähigkeiten verschonen, würden die Acoma einem noch größeren, unheimlicheren Plan der Versammlung der Magier zum Opfer fallen. Mehr und mehr hatte sich enthüllt, daß die Schwarzen Roben Veränderungen verhinderten. Sie hatten Ichindars Aufstieg gestattet, weil es ihnen gefiel, Tasaio von den Minwanabi in die Schranken zu weisen; doch früher oder später würden sie die Ansichten der Traditionalisten vertreten und sich für die Wiedereinführung des Amtes des Kriegsherrn einsetzen; sie würden Ichindar dann nur noch eine Rolle in den religiösen Zeremonien zugestehen.
Arakasi widerstand dem Drang, sich die schweißnasse Stirn abzuwischen, und zog die Harke durch den Boden, während ein Sturm aus Groll in ihm tobte. Er hatte beim Studieren der Aufzeichnungen anhand dessen, was weggelassen wurde, und durch feinste Verdrehungen und Wendungen erfahren, wie sehr die Erhabenen das Kaiserreich in den Zustand der Stagnation geführt hatten. Man mußte kein Historiker sein, um die unerklärlichen Löcher im Teppich der tsuranischen Geschichte zu entdecken.
Wie ein Weber, der sich um ein Gewirr von Fäden kümmern mußte und einen Knoten nach dem anderen aufnahm, folgte Arakasi einer merkwürdigen Erklärung nach der anderen, um einen Bericht zu entwerfen, den gerade das Fehlen wichtiger Informationen so auffällig machte. Sein Puls beschleunigte sich wie niemals zuvor. Sämtliche Objektivität wich der Erkenntnis, daß er in den größten Wettkampf seines Lebens eingetreten war – denn während er sich danach sehnte, die Gefühle des Mädchens wiederzuerwecken, das seine Leidenschaft entfacht hatte, mußte er seiner Mistress helfen, die mächtigste Gruppierung herauszufordern, die das Kaiserreich jemals gekannt hatte: die Versammlung der Magier.
Arakasi scheute vor einer näheren Betrachtung der Zukunft zurück. Er betrachtete jeden Tag als Risiko. Er wußte so gut wie Mara, daß er nicht länger ihr Supai sein konnte, in dem unwahrscheinlichen Fall, daß ihr Haus gegen den Willen der Versammlung bestehen und überleben konnte. Während er die Schärpe, die seinen Kittel umschloß, zurechtrückte und über den Waffengürtel mit den verborgenen Messern strich, betrachtete er die gefegten Gehwege und die Beete voller Reihen wohlriechender Blumen. Wenn das Schicksal die Acoma vernichten würde oder Mara, sollte er sein Amt niederlegen, ihm keine andere ehrenvolle Position in ihrem Haushalt bieten könnte, konnte er immer noch auf seine Fähigkeiten als Arbeiter zurückgreifen, dachte er mit
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