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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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sie die Asche über ihre Brüste und ihren Bauch schmierte – ein Symbol, daß ihr Herz in Asche lag. In Wahrheit fühlte sich ihr Körper so leblos an wie das verkohlte Holz des Scheiterhaufens. Langsam hob sie den Metalldolch – ein Stück ihrer Ahnen –, der über all die Jahre für solche Zeremonien immer wieder geschärft wurde. Zum dritten Mal in diesem Leben zog sie die Klinge aus der Scheide und schnitt sich in den linken Arm, doch im Nebel ihrer Verzweiflung spürte sie den heißen Schmerz kaum.
    Sie hielt den Arm über den Teich und ließ das Blut hineintropfen, damit es sich mit dem Wasser vermischen konnte, wie es die Tradition verlangte. Mehr als eine Minute saß sie reglos da, bis die Blutstropfen versiegten und die Wunde sich schloß. Sie war schon halb getrocknet, noch bevor sie abwesend an ihrer Robe zog, doch sie hatte nicht die Willenskraft, das Kleidungsstück ganz zu zerreißen. Schließlich zog sie es einfach über den Kopf. Es fiel zur Erde, wo ein Ärmel begann, sich mit Öl und Wasser aus dem Teich vollzusaugen.
    Mechanisch löste sie die Haarnadeln und ließ die dunklen Locken über ihre Schultern fallen. Zorn und Wut, Trauer und Kummer hätten sie dazu bringen sollen, an ihren Haaren zu zerren, sie büschelweise auszureißen. Doch ihre Gefühle schwelten nur dumpf, wie ein Funke, der mangels Sauerstoff erstickte. Jungen sollten nicht sterben; voller Leidenschaft um sie zu trauern, hieß akzeptieren, daß auch Jungen sterben mußten. Mara zupfte an ein paar Locken, aber deutlich lustlos.
    Dann hockte sie sich auf die Fersen und betrachtete den Hain.
    Solch makellose Schönheit, und unter all den Lebenden konnte nur sie allein sie würdigen. Ayaki würde niemals das Todesritual für seine Mutter vollziehen … Plötzlich und unerwartet begannen ihre Tränen zu fließen und schienen etwas von der Härte in ihrem Innern hinwegzuschwemmen. Mara schluchzte auf und gab sich einen Augenblick tiefster Trauer hin.
    Doch anders als zuvor, wenn ein solcher Ausbruch Klarheit gebracht hatte, fand sie sich diesmal nur noch tiefer in chaotische Gedanken hinabgezogen. Als sie die Augen schloß, wirbelten Bilder in ihrem Kopf durcheinander: erst Ayaki, wie er herumrannte, dann Kevin, der barbarische Sklave, der sie die Liebe gelehrt und immer wieder sein Leben für sie riskiert hatte. Sie sah Buntokapi, zusammengesunken über seinem roten Schwert, seine großen Fäuste bebend geschlossen, während das Leben seinen Körper verließ. Wieder erkannte sie, daß der Tod ihres ersten Mannes für immer als Schuld auf ihr lasten würde. Sie sah Gesichter: ihren Vater und ihren Bruder und dann Nacoya, ihre Amme und Pflegemutter.
    Sie alle trugen zu ihrem Schmerz bei. Kevins Rückkehr in seine eigene Welt war ein ebenso schmerzhafter Verlust wie der Tod, und keiner der anderen war eines natürlichen Todes gestorben; alle waren sie Opfer politischer Intrigen und der grausamen Machenschaften des Großen Spiels geworden.
    Und die schreckliche Gewißheit wollte nicht von ihr weichen, daß Ayaki nicht der letzte Junge sein würde, der für die leeren Ambitionen der Herrschenden von Tsuranuanni sterben würde.
    Die Wahrheit traf sie wie ein Schock: Ayaki würde nicht der letzte sein. Sie heulte qualvoll, fast hysterisch auf und warf sich kopfüber in den Teich.
    Das Wasser schwemmte ihre Tränen weg. Ihre Schluchzer wurden zu einem Keuchen, als Wasser in ihre Nase drang und das Leben sie zurückrief. Hustend krabbelte sie auf die trockene Erde zurück; das Wasser lief ihr aus Mund und Haaren. Tief sog sie die trockene Luft ein, dann griff sie mechanisch nach ihrer Robe, die jetzt nicht mehr weiß, sondern verdreckt und ölverschmiert war.
    Als wäre sie ein Geist im Körper einer Fremden, zog sie den Stoff über die nasse Haut. Die Haare ließ sie unter dem Kragen kleben. Dann erhob sich der Körper, der sich wie ein lebendiges Gefängnis anfühlte, und trottete zum Eingang des Hains zurück, wo Tausende mit feindseligen oder freundlichen Augen auf sie warteten.
    Die Anwesenheit all dieser Fremden machte sie betroffen. Das alberne Lächeln des einen Lords und das anzügliche Interesse eines anderen bestätigten sie in ihrer Überzeugung: Ayakis Tod würde immer und immer wieder geschehen, und andere Mütter nach ihr würden voll sinnloser Wut aufschreien angesichts dieser Ungerechtigkeit des Großen Spiels. Mara warf einen Blick nach unten, um der Nutzlosigkeit dieses Wissens auszuweichen. Eine ihrer Sandalen fehlte.

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