Die Schwarzen Roben
erbitten. Ein Priester vom Orden des Roten Gottes betrat das schmale Stück zwischen den Armeen und sang ein Gebet. Der anschwellende Klang, als die Krieger einstimmten, schien wie das Beben, das der Verheerung vorausging. Der Priester war nicht allein; neben ihm stand eine schwarzverkleidete Schwester von Sibi, Die Welche Tod ist . Die Gegenwart einer Priesterin, die Turkamus ältester Schwester huldigte, war ein Beweis dafür, daß viele Männer an diesem Tage würden sterben müssen. Der Priester beendete seine Beschwörung und warf eine Handvoll roter Federn in die Luft. Er verneigte sich tief, dann entbot er der Priesterin der Todesgöttin seinen Gruß. Während die religiösen Repräsentanten sich zurückzogen, begannen die Krieger, laute Rufe auszustoßen. Schreie und Beleidigungen zerrissen die Morgenstille, als die Männer ihre Feinde auf der anderen Seite des Feldes schmähten. Unverzeihliche Worte flogen hin und her, um ihren Entschluß zu besiegeln, sich in dieses mörderische Gemetzel zu stürzen, zu siegen oder zu sterben, wie es die Ehre befahl; und um den Willen zu festigen, damit keiner der Soldaten der Versuchung erliegen und feige würde. Der tsuranische Ehrenkodex war unbeugsam: Ein Mann verdiente sich sein Leben durch Sieg, oder seine Schande würde sich über das Rad dieses Lebens ausdehnen und ihm im nächsten Unglück bringen.
Mara betrachtete die Szenerie leidenschaftslos. Ihr Herz war hart wie ein Stein. An diesem Tag würden andere Mütter erfahren, was es hieß, um ihre erschlagenen Söhne zu weinen. Sie bemerkte kaum, wie Hokanu seine Hände auf die Schulterplatten ihrer Rüstung legte, als sein eigenes Herz voller Erwartung zu klopfen begann.
Der Erbe der Shinzawai hatte das Recht, abseits zu stehen, denn es gab keinerlei Blutsbande, weder zu den Hadama noch den Ionani. Als Ehemann der Guten Dienerin fühlte er sich jedoch verpflichtet, das Gemetzel zumindest zu beobachten. Jetzt, wo die Erregung der Krieger das Blut schneller durch die Adern pulsieren ließ, freute sich ein dunklerer Teil seines Wesens auf das Zeichen zum Angriff. Er hatte Ayaki geliebt wie einen eigenen Sohn, und der Tod des Jungen hatte ihn schnell dazu gebracht, die Wut seiner Lady zu teilen. Die Logik mochte das Haus Anasati von dem Vorwurf, den Attentäter der Tong angeheuert zu haben, freisprechen, doch seine aufgebrachten Gefühle dürsteten nach Vergeltung. Gleichgültig, ob Jiro schuldig war oder nicht – Blut mußte mit Blut gesühnt werden.
Ein Läufer von Lujan erschien beim Kommandozelt. Er verbeugte sich tief und wartete schweigend, bis die Lady ihm ein Zeichen gab. »Mistress, Clanlady des Clans Hadama, die Kommandeure der Ionani haben ihr Einverständnis gegeben. Die Schlacht wird beginnen, wenn die Sonne in einer Höhe vom Sechsfachen ihres Durchmessers über dem östlichen Horizont steht.«
Mara betrachtete abschätzend den Himmel. »Das bedeutet, das Signal zum Angriff wird in weniger als einer halben Stunde erklingen.« Sie nickte zustimmend. Und doch war die Verzögerung größer, als sie sich gewünscht hätte; Ayaki hatte keine solche Gnadenfrist erhalten.
Die Minuten vergingen nur langsam. Die Soldaten brüllten sich weiter Beleidigungen zu, bis sie heiser wurden. Die Sonne kletterte höher, und es wurde wärmer. Die Nerven aller im Kommandozelt Anwesenden waren zum Zerreißen gespannt; schon eine Fliege, die sich zufällig irgendwo niederließ, könnte jetzt für eine Entladung der aufgestauten Spannung sorgen.
Hokanus Ungeduld stieg. Er war bereit, sein Schwert zu ziehen und Blut trinken zu lassen. Schließlich erreichte die Sonne die festgesetzte Position. Keyoke holte tief Luft, während Mara im gleichen Augenblick die Hand hob. Auf dem Feld hob Lujan die blanke Klinge, und die Trompeten schmetterten ihren Kriegsruf.
Hokanu hatte sein eigenes Schwert gezogen, ohne bewußt nachzudenken. Der Kampf mochte zu Ende sein, bevor er überhaupt einen Feind gesehen hatte, denn sein Platz war neben seiner Lady. Kein Ionani-Krieger würde die Ehrengarde durchbrechen können, die das Kommandozelt umgab, solange der Clan Hadama nicht in die Flucht geschlagen war; trotzdem stand er – und neben ihm Saric – bereit.
Die Fanfarentöne schienen sich eine Ewigkeit hinzuziehen. Unten auf dem Schlachtfeld wartete Lujan an der Spitze seiner Armee; seine hocherhobene Klinge glänzte im Sonnenlicht wie eine Nadel. Der kommandierende Offizier der Ionani stand in der gleichen Haltung auf der anderen Seite
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