Die Schwarzen Roben
anzuwenden. Das Blutvergießen würde ihren Sohn nicht zurückbringen, doch die Hitze und die Schrecken des Gefechts mochten ihre Gedanken abtöten. Sie würde eine Ruhepause von Schmerz und Trauer haben, bis Jiro von den Anasati zu Brei zermalmt im Staub lag.
Ihr Mund verhärtete sich bei diesem Gedanken. Hokanu spürte ihre Anspannung. Er versuchte nicht, sie davon abzubringen, denn er wußte instinktiv, daß es nichts gab, was sie wirklich trösten konnte. Er blieb an ihrer Seite, ruhig und bemüht, ihre Entscheidungen abzumildern, wo immer er konnte.
Eines Tages würde sie aufwachen und ihre Tränen als das akzeptieren, was sie waren. Doch bis die Zeit ihre Wunden heilen würde, konnte er nichts anderes tun, als sie uneingeschränkt zu unterstützen; alles andere würde sie nur zu noch verzweifelteren Maßnahmen veranlassen.
Mit echter tsuranischer Gelassenheit verfolgte Hokanu, wie sich einige gerüstete Gestalten aus den Reihen der Hadama lösten und sich denen der Ionani näherten. Lujan führte die Gruppe an; die Sonne ließ seine Rüstung aufblitzen und die Spitzen seines Federbuschs in glänzendem Smaragdgrün erstrahlen. An seiner Seite schritten seine beiden Truppenführer Irrilandi und Kenji und dahinter, ihrem Rang entsprechend, die Kommandeure der anderen Häuser des Clans Hadama. Zuletzt folgte ein Schreiber, um den Wortwechsel niederzuschreiben, als die Abordnung – ganz der Tradition entsprechend – in der Mitte des ausgewählten Schlachtfelds auf die des Gegners traf. In diesem Gespräch würden die Richtlinien des bevorstehenden Krieges festgelegt werden, die Begrenzung des Felds, die Stunde des Beginns und – falls überhaupt – die Möglichkeit, daß Gnade gewährt oder angenommen werden konnte. Doch Mara hatte jede Hoffnung auf letzteres zunichte gemacht. Als ihr Kriegsberater Keyoke das Thema der Schonung angesprochen hatte, war heiße Wut in ihren Augen aufgeblitzt: »Keine Gnade.«
Daß die Häuser des Clans Ionani es für angemessen gehalten hatten, sich an der Fehde zu beteiligen, hatte sie nicht im geringsten berührt. Sie konnten mit Jiro stehen oder fallen. Und sie würde nicht die einzige sein, die die dem Spiel des Rates innewohnenden Grausamkeiten aushalten mußte.
Die Linien waren jetzt gezogen, die Pfosten gesetzt. Niemand konnte das Wort von Mara, der Clanlady, in Zweifel ziehen. Hokanu blickte sich im Kommandozelt um, zum einen, um seine Nerven zu beruhigen, aber auch, um zu sehen, in welcher Stimmung die anderen waren. Keyoke trug eine Rüstung anstelle seiner gewohnten Kleidung als Berater; ebenso Saric, der in den Reihen der Acoma gekämpft hatte, bevor er in dieses hohe Amt aufgestiegen war. Jetzt, da ein Kampf bevorstand, hätte er sich nackt gefühlt mit nichts als dünner Seide auf der Haut.
Der alte Incomo jedoch trug seine Roben. Er, der sich ohnehin mit seinem Stift wohler als selbst mit einem Frühstücksmesser fühlte, stand da, die Hände in der Schärpe vergraben, die ledrigen Gesichtszüge angespannt. Obwohl er auf seine Weise so erfahren war wie ein alter General, hatte er kaum Ahnung von Gewalt und den Kriegskünsten. Daß Mara den Clan angerufen hatte, war keine vernünftige Tat, und da sie bisher eine Seele an Freundlichkeit und Vernunft gewesen war, erschreckte es ihn zutiefst, mit welcher Besessenheit sie daranging, auf rituelle tsuranische Art Rache zu nehmen. Doch seine jahrelange Erfahrung als Berater der Minwanabi befähigte ihn zu einem unerschütterlichen Gehorsam.
Am heutigen Tag wartete jeder Mann, jede Frau des Hauses Acoma sowie der anderen Häuser des Clans Hadama auf den Willen der Götter.
Trompeten und die hohen, geschwungenen Kriegshörner erklangen. Ein Trommelwirbel erscholl, als die Abgesandten der Ionani und Hadama wieder voneinander abrückten, sich umdrehten und zurück zu ihren Reihen gingen. Das Trommeln wurde schneller, ebenso die Fanfare. Lujan nahm seinen Platz in den Reihen in der Mitte ein; Irrilandi und Kenji marschierten auf der rechten und linken Flanke. Die anderen Offiziere nahmen ihre Position an den Spitzen der Armeen ihrer Häuser ein. Die frühe Morgensonne ließ die polierten Kanten der Schilde und die Speerspitzen aufblitzen und beleuchtete die wellenförmige Bewegung von Tausenden von Soldaten, die ihre Schwerter aus den Scheiden zogen.
Banner knatterten in der Brise, entfalteten sich an den Stangen, die zu Ehren des Todesgottes Turakamu rot gefärbt waren, um seinen Segen für das bevorstehende Gemetzel zu
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