Die Schwarzen Roben
darum ging, Eindruck zu machen. Das falsche Gewand konnte einen Menschen dumm aussehen lassen, übergewichtig oder auch frivol. Da der Kampf mit der Klinge und die Unbilden des Krieges nicht nach Jiros Geschmack waren, benutzte er jedes andere Mittel, seine Sicht von Männlichkeit zu betonen. Ein kleiner Vorteil konnte errungen werden oder ein Wettstreit des Geistes in einen Sieg verwandelt werden, der feinsinniger war als jeder Triumph auf dem Schlachtfeld.
Jiro war stolz auf seine Fähigkeit, seine Feinde ohne Blutvergießen zu bezwingen, und mußte sich beherrschen, um auf das gedankenlose Kompliment des Schneiders nicht mit Entrüstung zu reagieren. Der Mann war ein Handwerker, ein Mietling, der kaum seine Beachtung verdiente, geschweige denn seine Wut. Seine Worte hatten weniger Bedeutung als der Wind, und nur der Zufall hatte ihn an etwas rütteln lassen, dessen Jiro sich noch immer voller Groll erinnerte. Obwohl er soviel Wert auf Manieren und Kleidung legte, hatte Lady Mara ihn verschmäht. Hatte statt dessen den unbeholfenen, grobschlächtigen Buntokapi vorgezogen. Schon die flüchtige Erinnerung sorgte dafür, daß Jiro vor unterdrücktem Zorn zu schwitzen begann. All die Jahre sorgfältiger Bemühungen hatten ihm nichts gebracht; sein Verstand und sein geübter Charme waren von den Acoma abgewiesen worden. Sein lächerlicher, rüpelhafter Bruder hatte über ihn triumphiert.
Er würde Bunto sein Grinsen niemals vergeben können; die Erinnerung an diese Demütigung schmerzte noch immer. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und plötzlich konnte er nicht mehr stillstehen. »Ich mag diese Robe nicht«, schnaubte er gereizt. »Sie mißfällt mir. Macht eine andere, und laßt diese in Fetzen reißen.«
Der Schneider wurde blaß. Er nahm die Nadeln aus dem Mund und fiel auf den Parkettboden, die Stirn gegen das Holz gepreßt. »Mylord! Wie Ihr wünscht, selbstverständlich. Ich bitte unterwürfig um Vergebung für meinen Mangel an Geschmack und Urteilsvermögen.«
Jiro sagte nichts. Mit einem Ruck seines gerade vom Barbier behandelten Kopfes bedeutete er einem Diener, ihm die Robe auszuziehen und auf einen Haufen zu werfen. »Ich werde das blau-rote Seidengewand tragen. Holt es her.«
Sein Befehl löste nervöse Betriebsamkeit aus. Der Lord der Anasati bestrafte seine Sklaven und Dienerschaft selten, doch seit dem Tag, da er sein Erbe angetreten hatte, hatte er klargestellt, daß er nichts anderes als unbedingten Gehorsam tolerieren würde.
Der Erste Berater Chumaka spürte die fast an Wahnsinn grenzende Unterwürfigkeit der Diener, als er eintraf, um seinen Bericht abzugeben. Er zuckte jedoch mit keiner Wimper; er war der Weiseste im Haushalt der Anasati und kannte seinen Lord am besten von allen. Sein Herr mochte übertriebene Unterwürfigkeit nicht; ganz im Gegenteil. Jiro war als zweiter Sohn groß geworden, und er liebte es, wenn alles ruhig und unspektakulär geschah. Doch da er den Herrschermantel geerbt hatte, ohne für diese Aufgabe jemals erzogen worden zu sein, reagierte er höchst sensibel auf das Verhalten seiner Untergebenen ihm gegenüber. Er würde es bemerken, wenn sie ihm nicht den ihm als Lord zustehenden Respekt zukommen ließen, und sie sofort zurechtweisen.
Der Diener, der zu spät seinen Titel ausgesprochen hatte, der Sklave, der sich bei Erscheinen nicht ohne Zögern verbeugte – niemals vergaß er ihre Fehler. Wie feine Kleidung und glatte Manieren, bildete auch das Festhalten am traditionellen tsuranischen Kastensystem eine der Grundlagen, auf der Herrscher von ihren Kollegen beurteilt wurden. Und während er sich vom Schlachtfeld – das er für einen barbarischen Aspekt der Traditionen hielt – immer ferngehalten hatte, war Jiro zu einem Meister zivilisierten Verhaltens geworden.
Die achtlos weggeworfene Robe aus feinster Seide zu seinen Füßen schien vergessen, als er Chumaka zunickte, der sich gerade aus seiner Verbeugung erhob. »Was führt Euch zu dieser Stunde hierher, Erster Berater? Habt Ihr vergessen, daß ich vorhabe, mit den Scholaren aus Migran zu diskutieren?«
Chumaka neigte den Kopf leicht zu einer Seite und fixierte seinen Herrn wie ein hungriges Nagetier seine Beute. »Ich schlage vor, Mylord, daß die Scholaren ein wenig warten sollen, während wir einen kurzen Spaziergang unternehmen.«
Lord Jiro war verärgert, doch er zeigte es nicht. Er ließ sich erst von seinem Diener die Schärpe um die Robe binden, bevor er sagte: »Ist denn so wichtig, was Ihr
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