Die Schwarzen Roben
wirklich bewegten.
Mara drückte fest seine Hand. »Die Schwester deines Vaters hat zwei Söhne, und einer deiner Cousins zweiten Grades hat fünf Kinder; drei davon sind Jungen.«
Hokanu nickte. Er war sich noch nicht sicher, wohin diese Eröffnung führen würde, doch er griff ihren Gedanken bereitwillig auf. »Wenn Justin etwas zustoßen sollte, bevor unser Kind geboren ist, könnte mein Vater unter mehreren Cousins und anderen Verwandten auswählen, wer nach mir den Mantel der Shinzawai tragen soll. Aber du solltest dir keine Sorgen machen, meine Liebe; ich habe vor, am Leben zu bleiben und für deine Sicherheit zu sorgen.«
Mara runzelte die Stirn. Sie schien weitaus mehr beunruhigt, als er ursprünglich vermutet hatte. »Nein. Das haben wir alles schon oft besprochen. Ich will nicht, daß der Name der Acoma in dem der Shinzawai aufgeht.«
Hokanu zog sie an sich, als ihm plötzlich der Grund für ihre Anspannung klar wurde. »Du fürchtest also um den Namen der Acoma. Das kann ich verstehen. Bis unser Kind geboren sein wird, bist du die letzte eures Geschlechts.«
Ihr angespanntes Nicken verriet, wie tief die Furcht war, mit der sie sich in den letzten beiden Jahren insgeheim herumgeschlagen hatte. Und nach allem, was sie durchgemacht hatte, um das Geschlecht der Acoma zu sichern – nur, um dann ihren Sohn doch zu verlieren –, gab es für ihn daran nichts auszusetzen.
»Im Gegensatz zu deinem Vater habe ich keine Cousins und auch sonst keine andere Möglichkeit.« Sie holte tief Luft – und kam dann geradewegs zur Sache.
»Ich möchte, daß Justin auf den Natami der Acoma schwört.«
»Mara!« sagte Hokanu erschrocken. »Geschehen ist geschehen! Der Junge ist beinahe fünf und hat bereits auf die Shinzawai geschworen!«
Mara wirkte verloren. Ihre Augen schienen viel zu groß für ihr Gesicht, die Wangenknochen traten viel zu scharf hervor; Kummer und Schmerz hatten sie gezeichnet. »Entbinde ihn von dem Schwur.«
Eine Aura der Verzweiflung umgab sie, eine Entschlossenheit und Härte, die sie sonst nur zeigte, wenn Feinde zugegen waren; und die Götter wußten, er war alles andere als ein Feind. Er unterdrückte seinen ersten Schreck und zog sie erneut an sich. Sie zitterte, obwohl sie keineswegs zu frieren schien, denn ihre Haut fühlte sich nicht kalt an. Er nahm sich Zeit, sorgfältig über ihre Worte nachzudenken. Er versuchte, ihre Gründe zu erkennen und zu verstehen, um sich so besser mit ihr auseinandersetzen zu können. Denn er erkannte, daß er niemandem einen Gefallen tun würde, wenn er Justins Haus-Loyalität änderte – am allerwenigsten dem Jungen selbst. Der war inzwischen nämlich alt genug, um die Bedeutung des Namens zu begreifen, zu dem er gehörte.
Der Tod seines älteren Bruders war für den Kleinen schlimm genug gewesen, er mußte jetzt nicht auch noch zum Spielball politischer Interessen werden. So sehr Hokanu Mara auch liebte, so wenig wollte er ein unschuldiges Kind mit der Bürde von Jiros Feindschaft belasten.
Das tiefe Verständnis zwischen Mara und ihrem Ehemann bestand in beide Richtungen. Auch Mara war in der Lage, Hokanus geheimste Gedanken zu erkennen. »Es ist sehr viel schwieriger, einen Jungen umzubringen, der laufen, sprechen und Fremde erkennen kann, als einen Säugling in der Wiege«, sagte sie. »Unser neues Kind wäre sicherer als Erbe der Shinzawai. Und es würde nicht ein Haus, ein ganzes Geschlecht davon abhängen, ob es lebt oder stirbt.«
Dieses logische Argument war nicht so einfach zu widerlegen. Doch Hokanu mochte Justin viel zu gern, um Maras Vorschlag sofort zuzustimmen – ganz abgesehen davon, daß Kamatsu, sein Stiefvater, den Jungen mittlerweile abgöttisch liebte. Konnte ein Mann ein Kind, das gerade alt genug war, die Freuden des Lebens zu schmecken, mitten in die größte Gefahr hineinstoßen? Aber konnte ein Mann das Leben eines unschuldigen Säuglings aufs Spiel setzen?
»Wenn ich sterbe«, flüsterte Mara, »wird nichts mehr dasein. Kein Kind, keine Acoma. Meine Vorfahren werden ihren Platz auf dem Rad des Lebens verlieren, und niemand wird mehr dasein, um die Ehre der Acoma vor den Augen der Götter zu bezeugen.« Sie brauchte nicht hinzuzufügen, daß damit auch alles, was sie getan und erreicht hatte, hinfällig werden würde.
Hokanu setzte sich aufrecht hin, zog sie an sich, so daß sie sich gegen ihn lehnen konnte, und strich ihr das dunkle Haar aus dem Gesicht. »Meine Lady, ich werde über das nachdenken, was du gesagt
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