Die Schwarzen Roben
Fingern schnippte und nach ihren Zofen rief. Es war ein Teil seiner einzigartigen Hingabe, daß er in den Stunden ihrer morgendlichen Übelkeit an ihrer Seite verweilte, und er lächelte nur, als sie mit dem Hinweis, daß er sicher Besseres zu tun habe, leisen Protest anmeldete.
Die Uhr schlug. Mara wischte sich eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn und seufzte. Sie schloß für einen Moment die Augen, eine Erholung nach den seitenlangen, in winziger Handschrift verfaßten Berichten des Maklers aus Sulan-Qu. Doch dieser Augenblick der Ruhe dauerte nur Sekunden.
Eine Zofe kam herein, ein Tablett in der Hand. Mara zuckte angesichts der Störung leicht zusammen, fand sich jedoch mit der Unterbrechung ab, als die Dienerin begann, eine leichte Mahlzeit auf dem kleinen Schoßtisch auszubreiten. Das Tischchen daneben war voller Geschäftspapiere.
Als sie den Blick ihrer Herrin auf sich ruhen fühlte, verbeugte sich die Dienerin; ihre Stirn berührte mit einer Ehrerbietung, die schon fast der einer Sklavin gleichkam, den Boden. Wie Mara vermutet hatte, trug das Mädchen eine blaue Livree – die Farbe der Shinzawai.
»Mylady, der Herr hat mich zu Euch gesandt, um Euch eine Mahlzeit zu bringen. Er sagt, Ihr seid zu dünn, und das Baby würde nicht genug bekommen, wenn Ihr Euch nicht die Zeit nehmt, etwas zu essen.«
Mara legte eine Hand auf ihren runden Bauch. Der Junge, den die Hebammen ihr versprochen hatten, schien sich prächtig zu entwickeln. Wenn sie selbst verhärmt aussah, so lag das eher an ihrer Ungeduld und Anspannung als daran, daß sie zuwenig essen würde. Die Schwangerschaft zerrte an ihren Nerven, ungeduldig wie sie war; sie wollte, daß es vorüber und die Frage des Erben endlich geklärt wäre. Sie hatte erst gemerkt, wie sehr sie sich an Hokanus Gegenwart gewöhnt hatte, als die Spannungen zwischen ihnen aufgekommen waren. Für ihren Wunsch, Justin zum Erben der Acoma zu machen, hatte sie einen hohen Preis bezahlt, und sie sehnte den Zeitpunkt der Geburt herbei, um die Auseinandersetzung mit Hokanu hinter sich zu lassen.
Doch die Monate schienen sich bis in alle Ewigkeit zu dehnen. In Gedanken versunken starrte Mara aus dem Fenster, wo die Akasi-Reben blühten und die Sklaven emsig damit beschäftigt waren, sie zurechtzustutzen, um den Weg freizuhalten. Der schwere Duft erinnerte sie an ein anderes Arbeitszimmer auf ihrem ehemaligen Landsitz und an einen Tag in der Vergangenheit, als ein rothaariger barbarischer Sklave ihr Konzept von der tsuranischen Kultur zutiefst erschüttert hatte. Jetzt schien Hokanu der einzige Mann im ganzen Kaiserreich zu sein, der ihre fortschrittlichen Träume und Ideen teilte. Doch es war in letzter Zeit schwierig geworden, mit ihm zu sprechen, ohne daß das Problem des Erben aufkam.
Die Zofe verließ unauffällig den Raum. Mara betrachtete das Tablett voller Früchte, Brot und kaltem Käse mit wenig Begeisterung. Dennoch zwang sie sich dazu, etwas auf einen Teller zu füllen und zu essen, auch wenn die Speisen alle keinen Geschmack zu haben schienen. Die Vergangenheit hatte sie gelehrt, daß Hokanu später vorbeischauen würde, und sie hatte keine Lust, in seine inständig flehenden zärtlichen Augen blicken zu müssen – denn genau das würde geschehen, sollte sie ihrer Neigung nachgeben und die Mahlzeit unberührt lassen.
Der Bericht, der sie so sehr in Anspruch nahm, war weitaus ernster, als es zuerst den Anschein gehabt hatte. In einem Lagerhaus am Fluß hatte es gebrannt, und dabei waren die Lagerbestände zu Schaden gekommen – Felle, die nicht auf den Frühlingsmärkten angeboten worden waren. Die Preise waren in dieser Saison noch nicht auf dem üblichen Stand gewesen, und statt das Leder zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen, hatte Jican die Bestände zurückgehalten, um später die Sandalenmacher damit zu beliefern. Mara fröstelte. Aus reiner Gewohnheit stellte sie den fast noch unberührten Teller beiseite. Obwohl es kein Geheimnis war, daß ihr Haus das einzige im ganzen Kaiserreich war, das seine Sklaven – Sänftenträger und Feldarbeiter – mit Sandalen versorgte, hatte diese Tatsache sie bisher allenfalls zur Zielscheibe von Gespött gemacht. Die Lords der Traditionalisten brachen in schallendes Gelächter aus und behaupteten, Sklaven würden den Haushalt der Acoma führen; ein besonders mürrischer alter Priester im Tempel von Chochocan, dem Guten Gott, hatte ihr eine schroffe Nachricht geschickt, daß es gegen den Willen der Götter sei,
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