Die Schwarzen Roben
wurde. Der Mann war arrogant, dachte Mara, während Jican ihr die Stufen hinauf und zu ihren Kissen half.
Immerhin hatte der Fremde untadelige Manieren. Nachdem die Lady sich gesetzt hatte, verbeugte er sich, bis seine Stirn die Matte berührte, auf der er kniete. Er wartete lange genug, um tiefen Respekt zu bezeugen, während Jican ihn vorstellte. »Mylady, dies ist Janaio aus LaMut.«
Janaio richtete sich in einer eleganten Bewegung wieder auf und lächelte. »Ehre Eurem Haus, Gute Dienerin. Geht es Euch gut, Lady Mara?«
Mara neigte leicht das Haupt. »Es geht mir gut, Janaio von … LaMut.«
Plötzlich sprang ihr etwas ins Auge: Dieser Mann trug Gold! Mara gelang es gerade noch, ihre Würde zu bewahren und nicht überrascht nach Luft zu schnappen. Es gab ein kaiserliches Edikt, wonach alle Schmuckstücke und persönlichen Habseligkeiten aus Metall beim Eintritt durch den Spalt von Midkemia sorgfältig katalogisiert wurden. Die Händler der Barbarenwelt regten sich manchmal fürchterlich auf, wenn ihre Stiefel beschlagnahmt wurden und ihnen statt dessen Sandalen für ihre Reisen durch das Kaiserreich zur Verfügung gestellt wurden. Aber die beschlagnahmten Dinge wurden stets zurückgegeben, wenn die Händler das Kaiserreich wieder verließen. Die kaiserliche Schatzkammer hatte eine harte Lektion erteilt bekommen, als die erste midkemische Handelsdelegation ohne ihre Stiefel nach Hause zurückgekehrt war, während die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Provinz Lash auf den Kopf gestellt worden waren. Und das alles nur wegen der eisernen Nägel in den Stiefeln, die aus den Sohlen gezogen und gegen Centis eingetauscht worden waren.
Der Händler befingerte die Halskette. »Ich habe mein Wort gegeben, daß ich diese Kette nicht im Kaiserreich zurücklassen werde, Lady Mara«, sagte er, als er ihren Blick bemerkte. Das erinnerte sie daran, daß er ein Tsurani von Geburt war. Einem Barbaren wäre niemals geglaubt worden, daß er sein Wort halten würde, sollte er in Versuchung geführt werden. Midkemier bekannten sich nicht zum Glauben an das Rad des Lebens, daher band ihre Ehre sie auch nicht daran, den Verlust der Gunst der Götter zu fürchten.
Mara blieb äußerlich ruhig. Dieser Mann war dreist! Während ein solches Schmuckstück auf der anderen Seite des Spalts ein bescheidener Besitz für einen reichen Mann sein mochte, entsprach es auf Kelewan dem Jahreseinkommen eines kleineren Hauses. Und das wußte dieser Mann sehr wohl. Daß er einen solchen Schatz so offen zur Schau stellte, war genau berechnete Großtuerei. Voller Erwartungen, doch zugleich auch reserviert, wartete Mara darauf, was dieser Händler anzubieten hatte.
Als sie fand, daß mittlerweile genug Zeit verstrichen war, um ihn daran zu erinnern, wo sein Platz war, fragte sie: »Nun, was kann ich für Euch tun?«
Dem Mann entging nicht, daß dieser tsuranische Satz aus der Sprache des Königreichs übersetzt worden war. Maras kluge Eröffnung informierte ihn ohne viel Aufhebens darüber, daß sie schon des öfteren mit midkemischen Händlern zu tun gehabt hatte. Er reagierte mit untadeliger Tsurani-Etikette: »Ich handle mit gewissen Gewürzen und Köstlichkeiten, Herrin. In Anbetracht meiner Geschichte« – er gestikulierte vage – »habe ich den Vorteil, die Produkte zu kennen, die es nur in meinem neuen Heimatland gibt und mit denen sich im Kaiserreich gute Profite erzielen lassen würden.«
Mara gab ihm mit einem Nicken recht. In schmeichlerischem Ton fuhr Janaio fort: »Doch statt weiter mit Gerede Eure wertvolle Zeit zu verschwenden, möchte ich um die Erlaubnis bitten, meine Waren für sich selbst sprechen zu lassen.«
»Was schlagt Ihr vor?« fragte Mara neugierig.
Janaio deutete auf die Kisten und Säcke neben seinem Ellbogen. »Das sind alles Proben. Da sich die Stunde nähert, in der viele Menschen im Kaiserreich ihre Arbeit unterbrechen und sich eine Tasse Chocha gönnen, möchtet Ihr vielleicht etwas Exotischeres versuchen?«
Zu ihrem Leidwesen daran erinnert, daß Hokanu normalerweise gemeinsam mit ihr eine Erfrischung zu sich nahm, unterdrückte Mara einen Seufzer. Sie war müde und erschöpft und wollte gern ein Nickerchen machen, denn das Baby in ihrem Bauch ließ sie nachts häufiger aufwachen. »Dafür ist eigentlich keine Zeit.«
»Bitte«, sagte Janaio schnell. Er verneigte sich in dem Versuch, sie günstig zu stimmen. »Ich werde Eure Geduld nicht lange in Anspruch nehmen. Und Ihr werdet dafür mit besonderen
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