Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Aber wieso sollte ich ihnen anbieten, was sie sich nur zu nehmen brauchten, während ich in der Ecke eines verlassenen Gebäudes mein Leben aushauchte? Ich habe Freunde, die mich rächen werden! , war ein weiterer nutzloser Gedanke. An wem sollten mich meine fiktiven Freunde rächen, wenn es vermutlich schon Tage dauern würde, bis sich erst einmal mein Leichnam fand? Ihr macht einen Fehler, ich arbeite mit der Polizei zusammen! Wahrscheinlich wussten sie genau, dass das nicht stimmte, denn jemand hatte sie zielgerichtet auf mich angesetzt. Ich weiß alles über euren Auftraggeber; wenn mir etwas zustößt, werden es die Behörden erfahren! Der Trick war so alt wie die Welt und ebenso unglaubwürdig.
    Abgesehen davon reichten meine Sprachkenntnisse nicht aus, auch nur irgendetwas Zusammenhängendes von mir zu geben.
    Das Arsenal hatten wir inzwischen hinter uns gelassen. Wie ich erwartet hatte, führten sie mich tatsächlich zum Elendsviertel. Ich spitzte die Ohren, um etwa das Geschrei der Katzenspieler zu hören, aber ich vernahm nichts außer meinem eigenen Herzschlag, lauter als Kirchenglocken. Vor weniger als einer Stunde hatte ich Jana versprochen, auf mich aufzupassen. Fraglich, ob die Katzenspieler eingreifen würden, wenn sie einen Mordversuch beobachteten; eher würden sie auf die Zeit wetten, die das Opfer brauchte, um den Geist aufzugeben.
    Ich kämpfte gegen den Gedanken an, möglicherweise hier zu sterben, und verlor. Meine Beine marschierten von allein weiter, ausschließlich angetrieben vom schmerzhaften Druck der Dolchklinge in meiner Seite. Die Spitze war zu stumpf, als dass sie durch meine Kleidung hätte schneiden können, aber doch spitz genug, dass der Druck einen scharfen Schmerz auslöste. Es würde Kraft brauchen, sie durch den Stoff in mein Herz zu stoßen, und ich bezweifelte nicht, dass die Hand, die den Dolch hielt, über diese Kraft verfügte. Ein seltsamer Schwindel überkam mich, die Gedanken in meinem Kopf rasten wie ein Mahlstrom.
    Weiter vorn bogen vier Gassenjungen um die Ecke und stoppten, als sie uns sahen. Es hätten auch vierzig sein können, von ihnen war keine Hilfe zu erwarten. Ich schluckte und fing einen Blick von dem Mann auf, der den Dolch hielt. Er grinste breit. Ich versuchte seinem Blick standzuhalten, aber nach ein paar Momenten fühlte ich mich wie das Kaninchen, das die Schlange fixiert, und gab auf. Er grinste noch breiter und presste den Dolch probehalber ein wenig stärker zwischen meine Rippen. Mein Rücken begann wegen der unnatürlichen Haltung zu protestieren, mit der ich versuchte, dem ärgsten Druck auszuweichen. Der zweite Mann machte den ersten auf die Kinder aufmerksam, die in der staubigen Gasse standen. Sie gingen beide ein wenig langsamer, bis ihnen bewusst wurde, dass es sich nur um Gassenkinder handelte, dann nahmen sie ihren alten Tritt auf.
    Die Kinder beobachteten uns aufmerksam, als wir uns ihnen näherten. Wir mochten auf sie wirken wie drei leicht angetrunkene Männer, die auf der Suche nach einem Wettspiel waren oder einem schnellen, billigen Verkehr mit einer verzweifelten Frau oder nach sonst einem finsteren Geschäft hier im Elendsquartier, und mit Letzterem lägen sie gar nicht so falsch. Sie hielten uns nicht für ihresgleichen: Als wir nahe genug heran waren, begann der schrille Diskant, mit dem sie um Almosen bettelten. Sie waren älter als die drei, denen ich vorhin Geld gegeben hatte, aber sie bettelten nicht weniger eindringlich.
    Ich verstand, dass einer meiner Entführer zu seinem Kumpan sagte, es würde mir gut anstehen, den Ärmsten ein wenig Geld zu spenden, da dies den Himmel für die Aufnahme meiner Seele günstig stimmen würde, und sie schütteten sich beinahe aus vor Lachen. Als wir mit den Kindern auf gleicher Höhe waren, hielten sie mich an, riefen ihnen etwas zu, und der Mann zu meiner Rechten ließ meinen Arm los, um meine Börse zu öffnen. Er fasste achtlos hinein und kam mit einer ganzen Faust voll Geld heraus. Die Gassenkinder würden mein Leichenbegängnis würdig feiern können.
    Als er die Faust ausstreckte, schlug ich ihm die Münzen aus der Hand.
    Das Geld klimperte in einem silbernen Regen zu Boden. Die Kinder huschten sofort heran und begannen mit wildem Geschrei um die Münzen zu balgen. Der Mann, dem ich mein Geld aus der Hand geschlagen hatte, kam ins Straucheln und fluchte, als zwei Kinder zwischen seine Beine rollten. Der andere riss die Augen auf, und der Druck des Dolchs ließ für einen Moment

Weitere Kostenlose Bücher