Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Augen schlich sich ein verschlagenes Funkeln. Als er Calendars Blick abermals begegnete, schüttelte der Polizist kaum merklich den Kopf. Ursino schlug die Augen nieder.
    »Na und? Ein Polizist?«, stieß Rara hervor. Sie ballte eine Faust und schüttelte sie gegen Calendar. »Von deinesgleichen lasse ich mir keine Angst einjagen. Du hast nichts gegen mich in der Hand, Inquisitor! Was der verblödete Pfeffersack da drüben glaubt, ist seine Sache. Was zählt, ist, was die Behörden glauben. Und sie werden niemals einer dieser kleinen Nutten Glauben schenken, die nur deshalb nicht längst schon in der Gosse verfault sind, weil ich ihnen ein Dach über dem Kopf gegeben habe.«
    »Ich bin sicher«, erwiderte Calendar, und seine Höflichkeit hörte sich drohender an als Raras Ausfälligkeiten, »dass jede Menge Zeugen zur Hand sind, um zu Ihren Gunsten auszusagen.«
    »Darauf kannst du Gift nehmen«, lachte sie. »Und jede Menge Freunde in der signoria !«
    »Freunde oder Kunden?«, rief ich. »Wenn das nicht das Gleiche ist!«
    Calendar gab mir durch einen Blick zu verstehen, dass ich den Mund halten sollte. »Was haben Sie also dagegen, wenn wir Caterina mitnehmen?«, fragte er.
    »Um was mit ihr anzustellen?«
    »Ich glaube nicht wirklich«, erklärte Calendar sanft, »dass Ihnen das weitere Schicksal des Mädchens ein Anliegen ist.«
    »Des Mädchens nicht, aber meines Geldes«, knurrte sie. »Meinetwegen verleiht dein Freund da drüben es an das nächste Landsknechtsheer. Obwohl«, sie lächelte boshaft, »er ist ja da, um das Mädchen zu retten und es zu Gott zurückzuführen, dieser Heuchler.«
    Ich erinnerte mich daran, welchen Eindruck ich von Rara gehabt hatte, als ich mich nach unserem ersten Treffen von ihr verabschiedete. Ich ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder, um meinen Zorn unter Kontrolle zu halten. Sie war eine vollendete Schauspielerin; am erschreckendsten fand ich den Gedanken, dass auch ihre vulgäre Wut nur gespielt war. Rara mit sich allein und vor dem Spiegel war vermutlich eine leere Hülle, die den seelenlosen Blick ihres Spiegelbilds erwiderte, die Augen so gefühlvoll wie die schwarzen Murmeln in der Rechenrinne. Ursino, oder Matteo, wie er eigentlich hieß, beobachtete meine Hände und wandte dann den Kopf ab, als er sah, dass ich seinen Blick bemerkt hatte. Er heckte etwas aus.
    »Rara, wenn Sie glauben, dass Sie Geld dafür erhalten, dass wir Caterina aus ihren Fängen befreien, haben Sie sich getäuscht.«
    Rara und Calendar maßen sich gegenseitig mit Blicken. Rara schien zu erkennen, dass sie dabei war, den Bogen zu überspannen. Sie streifte Ursino und mich mit einem Blick, und ich bemühte mich vergeblich, festzustellen, ob sie sich dabei miteinander verständigt hatten. Ich überlegte, einen Schritt weiter aus der Reichweite von Ursinos muskulösen Armen zu gelangen, zögerte aber, um nicht das Gleichgewicht zu zerstören, das sich im Saal eingestellt hatte. Rara streckte eine Hand einladend zu der Tür aus, durch die sie und Ursino gekommen waren.
    »Hol sie und schmeiß einem Quacksalber noch ein paar Soldi in den Rachen, damit er ihren Urin anschauen kann. Aus der wird ohnehin nichts mehr.«
    Calendar nickte knapp und schritt dann langsam an Rara vorbei. Sie wich ihm aus und beobachtete lauernd jeden seiner Schritte. Ursino stand wie aus Stein gemeißelt und rührte sich nicht. Ich machte mich bereit, Calendar auf seinen Wink hin zu folgen. Ich spürte auf einmal, wie mir die Kehle eng wurde. Meine Hände juckten, wie immer, wenn etwas Entscheidendes geschah.
    Calendar begann zu sprechen, während er mit gemessenen Schritten auf Ursino, mich und die Tür zukam. »Matteo nennen sie schon seit frühester Kindheit Ursino. Stimmt’s, Matteo? Du warst schon immer ein wenig größer als die anderen, und deine Mutter wusste nicht, wie sie dich füttern sollte, ohne dass deine Brüder und Schwestern hungern mussten. Großer Matteo, großer Ursino, schon als Kind bist du zu kurz gekommen.« Er benutzte meine Sprache, teils wohl, damit ich ihn verstand, teils um den Riesen zu verunsichern; er erwähnte Matteos Namen so oft, dass dieser jedes Mal zusammenzuckte und nicht anders konnte, als dem Strom fremdländischer Worte zu lauschen, die aus dem Mund des Polizisten drangen. »Unsittliches Betragen, Trinkgelage, Schlägereien im Wirtshaus, ab und zu mal eine Nutte mit eingeschlagenen Zähnen oder ein zu vertrauensseliges Mädchen mit einem schwangeren Bauch und blau

Weitere Kostenlose Bücher