Die schwarzen Wasser von San Marco
Kapitän eines Schiffes ausgegeben hatte, das ich zu mieten gedachte und dessenthalben ich ihn in die Herberge bestellt habe. Moro begleitete ihn zu unserer Kammer hinauf, wo beide auf ein scheinbar vertrautes Bild stießen: Eine Zofe wurde soeben fertig, ihrer Herrin beim Ankleiden zu helfen. Die Zofe schnürte den Ärmel einer Tunika an der Schulter fest, und die Herrin strich mit einem Ausdruck der Bewunderung über den feinen Stoff ihres Gewandes.
Die Zofe war allerdings Jana, die Fiuzetta bei ihrer Rückkehr vermutlich aufgefordert hatte, ihre Lumpen mit einem der in Florenz erhaltenen Kleider zu tauschen, und ihr dabei half, es ordentlich anzulegen. Barberro stieß Moro beiseite, machte einen Satz in die Kammer hinein und packte Fiuzetta, zerrte sie auf das Bett, und noch bevor Jana Zeit hatte aufzuschreien und Moro sich vom Boden hochrappeln konnte, saß Barberro hinter Fiuzetta, hielt sie mit einem Arm an sich gepresst und drückte ihr mit der Hand des anderen Arms ein gemein aussehendes Messer an die Kehle. Fulvio war tot, aber sein Dolch mit dem Knochengriff hatte einen neuen Benutzer gefunden.
»Moro konnte nichts dagegen tun«, erklärte Manfridus. Er sah beschwörend zu Jana in die Ecke hinüber. »Und die Zofe Ihrer Frau ebenfalls nicht. Moro erhielt den Befehl, mich zu holen; Ihr Freund da drüben wollte alle Männer dieses Haushalts in seiner Nähe haben. Meine Frau und die andere Zofe wissen nicht, was hier oben passiert ist. Seitdem verhandle ich mit ihm, damit er Ihrer Frau «, ein weiterer beschwörender Blick zu Fiuzetta, »nichts antut.«
Manfridus hatte die vielleicht einzige Chance erkannt: Barberros Unkenntnis der Personen. Der Sklavenhändler war überzeugt, die Frau des Mannes in seiner Gewalt zu haben, der seine Leute ermordet und sein Geschäft zum Erliegen gebracht hatte. Manfridus hatte seit seinem unfreiwilligen Eintreffen auf den Sklavenhändler eingeredet, und wenn er es auch nicht geschafft hatte, ihn zum Aufgeben zu bewegen, so war es ihm doch gelungen, Barberro zu beruhigen. Ich fing einen drängenden Blick von Jana auf und dankte dem Herbergswirt; dann wandte ich mich dem Bett zu, in dem Fiuzetta die Geisel des Mannes war, der nicht davor zurückgescheut hatte, den Mord an einem hilflosen Kind zu befehlen und zwei Gassenjungen umzubringen, während hundert Schritte weiter eine riesige Menschenmenge einem Schauspiel zusah. Mein Atem war etwas ruhiger geworden, doch mein Herz schlug mir noch immer bis zum Hals.
»Geht’s dir gut?«, krächzte ich und sah Fiuzetta an. Sie nickte mit weit aufgerissenen Augen. Ihr Atem ging flach vor Angst. Barberros Hand fasste grob an ihren Bauch. Moros Augen funkelten und ließen nicht einen Moment von dem Sklavenhändler ab. Barberro musste klar sein, dass er eine Schwangere in der Gewalt hatte; dass es ihm einen weiteren Vorteil über mich verschaffte, erkannte er ebenfalls. Und dass Barberros Geisel nicht wirklich die Person war, für die er sie hielt, bedeutete vorläufig keinerlei Vorteil für uns. Ich würde Fiuzettas Leben ebenso wenig riskieren wie das Janas.
Barberro winkte mich mit einer Hand näher, ohne die Klinge des Messers von Fiuzettas Kehle zu nehmen. Er grinste mich mit seinen schlechten Zähnen an. Sein kahl geschorener Kopf war von Schweißperlen übersät. Als ich näher trat, roch ich seine scharfe Ausdünstung.
»Scheiße, was?«, rollte er mit schwerem Akzent. »Das hättest du nicht gedacht, dass es so kommt, du Spitzel.«
Er drückte die Klinge fester gegen Fiuzettas Hals, als ich noch einen Schritt näher trat. »Das reicht!«, stieß er hervor. Ich hob beschwichtigend die Hände. Sie fühlten sich schwer an. Barberro entspannte sich wieder.
»Ich kenne diesen Dolch«, sagte ich vorsichtig. »Ich habe ihn in einen Kanal gestoßen. Ich hoffte, dass Fulvio ihn nicht wieder finden würde.«
»Dachte mir schon, dass das auch du warst.«
»Ich habe mit dem, was auf Ihrem Schiff passiert ist, nichts zu tun.«
»Ach nein!«, höhnte er. »Woher weißt du’s dann?«
»Weil ich mit einem Polizisten und ein paar Bewaffneten dort war, um Sie und Ihre Leute zu verhaften.«
»Hab ich zu wenig Liegegebühren bezahlt?«
»Barberro«, sagte ich und bemühte mich, überlegen zu klingen, »jemandem ist es gelungen, Ihr Schiff zu entern und allen Ihren Männern den Garaus zu machen. Glauben Sie nicht, dass es unter diesen Umständen auch möglich ist, dass ich von dem Mord an dem jungen Prinzen weiß, den Sie den Piraten
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