Die schwarzen Wasser von San Marco
kümmere.«
»Das ist alles vorbei. Er ist tot.«
»Dann kümmere ich mich jetzt um die Umstände seines Todes.«
Er riss die Augen auf. »Warum wollen Sie so etwas tun?«
Ich lächelte und machte das Zeichen für Geld. »Ich muss mir doch Ihre Entlohnung verdienen.«
»Aber nein, aber nein«, wehrte er ab. »Bitte, es ist schon so in Ordnung. Sie haben mir zugehört, als ich verzweifelt war.«
Ein Priester hätte dir auch zugehört, dachte ich, sogar in der Anonymität des Beichtstuhls. Und du hättest wesentlich weniger in den Opferstock werfen müssen, als du mir gegeben hast.
»Na gut, wenn Sie es so wollen«, erwiderte ich mit einem Schulterzucken.
Er nickte ausgiebig und klopfte mir schließlich auf den Arm. Ich verabschiedete mich von ihm. Das mühsame Gespräch hatte mir nicht viel Neues erschlossen. Dass er mir meine nicht geleisteten Dienste viel zu teuer vergolten hatte, war mir schon vorher klar gewesen, und dass er keine wirkliche Begründung für das herrschaftliche Honorar hatte, auch. Neu war mir nur, dass er vor Angst über die ganze Angelegenheit beinahe schielte.
5
Es war lange vor Mittag, als ich wieder in Janas Kammer trat. Was sie und Fiuzetta betraf, schien überhaupt keine Zeit vergangen zu sein. Fiuzetta saß immer noch an ihrem Bett, knetete ihre Hand und strich ihr über die Stirn; Jana lag wieder auf dem Rücken und bewegte sich nicht.
Ich hielt die Tür auf für Julia, die eine neue Schüssel Suppe hinter mir die Treppe hochbalanciert hatte und sie neben Fiuzetta auf den Boden stellte. Die alte Schüssel mit der kalt erstarrten Suppe nahm sie mit. Ich konnte nicht erkennen, dass mehr als ein paar Tröpfchen daraus in Janas Magen gelangt wären.
Dann schritt ich um Fiuzetta herum, die mir zunickte, und stellte mit grenzenloser Überraschung fest, dass Janas Augen geöffnet waren. Ich stand wie vom Donner gerührt da und konnte nicht einmal meinen Füßen den Befehl erteilen, mich zu ihr zu tragen.
Ihre Lippen bewegten sich. »Peter«, sagte sie tonlos.
Ich war wie gelähmt, als ich mich fragte, ob sie vielleicht noch nicht wusste, was vorgefallen war. Wie sollte ich ihr beibringen, dass sie das Kind verloren hatte? Doch dann füllten ihre Augen sich mit Tränen, und sie begann zu schluchzen.
Fiuzetta stand auf, strich ihr Kleid glatt und ging hinaus. Als sie die Tür hinter sich schloss, fing ich einen kurzen Blick von ihr auf. Dann klickte das Türschloss zu, und Jana und ich waren allein.
Jana versuchte sich zu beruhigen. Endlich tat ich die erlösenden Schritte auf das Bett zu und setzte mich neben sie. Ich fühlte ein Brennen hinter den Lidern und wusste nicht, ob meine Tränen aus Erleichterung darüber kamen, dass sie aufgewacht war, oder aus Trauer über ihren Verlust, der auch meiner war. Ich nahm sie bei den Schultern und hob ihren Oberkörper sanft aus dem Kissen, und sie schlang die Arme um mich und weinte in meine Halsbeuge hinein.
»Es tut mir so Leid, was ich gestern gesagt habe«, flüsterte ich. »Ich war dumm und selbstgerecht.«
Ich spürte, wie sie den Kopf schüttelte. Auch ich empfand meine Entschuldigung als unzureichend.
»Ich hatte Angst«, begann ich nochmals, »und ich hätte es nicht ertragen … ich dachte, wenn dir etwas zustößt … ich dachte, es würde wieder so sein wie mit Maria …«
Ihre Finger krallten sich in mein Wams. »Ich habe es verloren«, stieß sie undeutlich hervor, »ach, Peter, ich habe es verloren.«
»Damals, als Maria … starb … ich wusste es bis heute nicht genau … ich glaubte felsenfest, dass es wieder so sein würde … ich habe meine ganze Familie damals vertrieben; ich war überzeugt, dass es mir nicht gestattet sei, eine neue Familie zu haben …«
Jana nickte nur und vergrub sich an meiner Schulter. Ich drückte sie eng an mich und wusste nicht, ob sie nickte, weil sie meine Gedanken nachvollziehen konnte, oder weil sie der gleichen Überzeugung war wie ich.
»Maria war damals mein Leben. Jetzt bist du mein Leben. Ich hatte solche Furcht … ich hatte das Gefühl, du spielst mit der Gefahr, vor der ich am meisten Angst hatte … es darf nicht wieder so enden, wie es mit Maria endete.«
Sie hob den Kopf und sah mich an. Ihr Gesicht war verschwollen und ihre Augen nass, und in der Blässe ihrer Haut leuchteten die roten Flecken auf ihren Wangen wie angemalt.
Ihre Augen liefen erneut über, als sie sagte: »Damals ist nicht nur deine Frau gestorben, sondern auch dein Kind.«
Ihre Worte
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