Die schwarzen Wasser von San Marco
Essen in irgendein leer stehendes oder verfallendes Haus, in dem sie sich verstecken.«
»Dann dürften sie eigentlich keine Furcht vor dir haben.«
»Ich lasse mich dabei natürlich nicht von ihnen sehen. Wenn sie merken, dass ich gar nicht so wild bin, wie ich tue, kann ich sie doch nicht mehr davonjagen. Sie würden mich auslachen.«
Maladente machte einen ungeduldigen Eindruck. Er ballte eine Hand zur Faust und hieb auf den Boden, dann warf er mir wieder einen seiner kurzen Blicke zu. Moro sah von ihm zu mir und seufzte.
»Ich muss mich mal dringend drinnen umsehen«, sagte er und setzte sich in Bewegung. Bevor er die Schankstube betrat, wandte er sich noch einmal um. »Sie wissen vermutlich, was die Burschen bewegt.«
»Ich ahne es.«
»Seien Sie vorsichtig. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand sie zu einer Sache missbraucht, die nachher schlecht ausgeht.«
»Für wen?«
»Für alle außer dem, der sie geschickt hat.«
»Ich glaube, sie wollen mir etwas mitteilen. Ich werde vorsichtig sein.«
»Solange Sie wissen, was Sie tun … Sollten Sie einmal das Gefühl haben, es nicht mehr zu wissen, dann kommen Sie bitte zu mir.«
Ich lächelte und nickte. Er verschwand in der Schankstube. Ich blieb an meinem Standort und winkte Maladente nochmals zu. Er hatte Moros Abgang aus dem Augenwinkel verfolgt und schien erleichtert; aber er zögerte immer noch, näher zu kommen. Ich dachte, dass er und sein Freund den Platz vor der Herberge vielleicht als verbotenes Territorium betrachteten, und ging auf sie zu. Sie sprangen in die Höhe und traten nervös von einem Bein auf das andere. Es war, als wollte man sich an einen streunenden Hund heranmachen, um ihm einen Knochen zu spendieren; sie traten hin und her und wandten die Köpfe und zuckten und machten einen halben Schritt zurück und einen halben vorwärts und spitzten die Ohren und wanden sich und waren von der Angst gleichermaßen beherrscht wie vom Bedürfnis, ihre Botschaft loszuwerden. Schließlich rannte Maladente ein paar Schritte auf mich zu und rief:
»Fratellino!« Er deutete auf mich und machte mit einer Hand Bewegungen wie ein quakender Entenschnabel.
»Fratellino will mit mir sprechen?«
Maladente nickte.
»Wo? Dove? «
Er schüttelte den Kopf und dachte nach.
»Caterina«, erklärte er schließlich.
»Er will mich bei Caterina treffen?«
» No, no! Du«, Handbewegung, »Caterina. Si? Caterina zu Fratellino. Fratellino«, Handbewegung, »zu Caterina, Caterina zu dir. Si? «
»Ich soll Caterina fragen, was ich von Fratellino wissen will. Sie geht zu ihm und teilt es ihm mit. Er antwortet, und sie trägt mir seine Antworten zu. Richtig?«
Es war zu kompliziert für ihn. Er zuckte mit den Schultern. Sein Freund sah dem mühsamen Gespräch gespannt zu. Ich ging davon aus, dass ich ihn richtig verstanden hatte.
»Si« , sagte ich. »Ho capito.«
Er grinste und zwinkerte mir zu. »Fick dich.« Ich nahm an, es war als Kompliment gedacht.
Ich warf ihm eine Münze zu, die er im Flug auffing. Dann schleuderte ich seinem Freund eine weitere zu, der sie mit der gleichen Geschicklichkeit schnappte.
Die beiden rannten davon, so schnell ihre Beine sie trugen.
6
Jana schlief noch immer, und ihr Gesicht zeigte ebenso wenig Farbe wie zuvor, aber Fiuzetta lächelte mich an. Jana schien ihrer Gesundung weiter entgegenzuschlummern.
Ich teilte Fiuzetta mit, dass ich nochmals außer Haus müsste, was diese mit einem Schulterzucken quittierte. Ich war sicher, dass sie bei Jana wachen würde, selbst wenn ich erst in der Nacht zurückkehren sollte. Als ich mich zum Gehen wandte, fiel mir noch etwas ein.
»Fiuzetta, wie lange warst du bei Rara de Jadra?«
»Zu lange«, sagte sie prompt.
»Wie meinst du das?«
»Nichts, nichts. Es war nur so dahingesagt.«
»Als ich gestern dort war, fielen mir zwei Dinge auf: Die kleinen Mädchen waren eingeschüchtert, die älteren schienen eine Abneigung gegen mich zu hegen – obwohl ich kein Wort zu ihnen gesagt hatte.«
Wieder zuckte Fiuzetta lediglich mit den Schultern.
»Wenn ich nun sagen würde, Rara bietet den Mädchen zwar ein Dach über dem Kopf und kleidet sie ein, kümmert sich ansonsten aber nicht um sie und versucht, sich mit den Spenden der Reichen das Leben so leicht wie möglich zu machen, träfe diese Vermutung zu?«
Fiuzetta dachte lange nach, ohne mich anzusehen. Schließlich sah sie von Janas Bett zu mir auf. »Nein«, sagte sie, »es könnte nicht falscher sein.«
»Sie hatten kein
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