Die Schwebebahn - Dresdner Erkundungen
schlenkernden Parcours, gewissermaßen das Sächsisch des Spurweitenverlaufs, geratenen Gleisen; über Kopfhöhe die Halteschlaufen, befestigt an Holzstangen entlang der Wagendecke, knautschten und knarrten in den Kurven vom Gewicht der sich anklammernden Reisenden, ein Geräusch ähnlich dem Jammern überlasteter Koffergriffe, die sich in der Trockenheit von Dachböden nicht zu erholen vermochten, bröckeliger wurden von Urlaub zu Urlaub, nur um von fürchterlich reisewütigen Absichten erneut ihrer Dunkelheit aus Staub und Stille, minierenden Käfern und der geduldigen Bautätigkeit jährlich wiederkehrender Wespenstaaten entrissen zu werden; ich hörte zu, wie die Bahn den Befehlen der Knöpfe und der Fahrkurbel folgte, deren vom Gebrauch dunkel glänzenden, birnenförmigen Holzgriff der Fahrer im Uhrzeigersinn drehte, wenn er beschleunigen wollte, und gegen den Uhrzeigersinn über die Mittelstellung, um die Bahn elektrisch abzubremsen; rechts neben dem Fahrer der Handbremshebel, dessen ockerbrauner Lack bis auf einzelne Sprengsel abgeplatzt war; Geräusche: das weiche Klirren, wenn der Fahrer diesen Hebel, als wäre es ein Pumpenschwengel oder eine Zurrvorrichtung, mehrfach vor- und zurückbewegte, um die Bahn bei Stillstand festzulegen – wenn er den Knopf oben am Hebel drückte und die Eisenstange in der Führungsfuge nach vorne schob, wurde die Bremse wieder gelöst –; Geräusche: Zeitungsrascheln und Husten herbstlich vergrippter Fahrgäste, Haltestellenansagen, die durch Sprach-Siebe kratzig und lustlos ins Wageninnere fielen, das Fensterchen oben in der engen, gardinenverhängten Fahrerkabine, die ein Vierkantschlüssel öffnete, blieb meist unverdeckt, ein Schriftzug »Gespräche mit dem Fahrer während der Fahrt verboten« drohte – aus dem »verboten« hatten Witzbolde manchmal »erbeten« gemacht –; ich stand gern an der Kabine undbeobachtete den Fahrer, während draußen die Neubauten der Luxemburgstraße und der Straße der Befreiung zurückblieben, beobachtete seine akrobatischen Hantierungen, die sich mir, da sie vor einer Brotbüchse aus Weißblech, gesichert mit einem mehrfach geschlungenen Gummi, und einer Thermoskanne nötig waren, tief einprägten. Dimitroff-, heute wieder Augustusbrücke; die Altstadt taucht aus der Elbe, das von einem Venezianer gemalte Märchen.
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Vielleicht hilft es, an einer Schmetterlingsklingel zu drehen, damit sich die Schimären wieder mit einer Wirklichkeit verbünden, die die Farben verbarg, in ein Dahinter der Wünsche und der Kompensation wies, eine Sehbahn der Vorstellung: damals in den Jahren vor der 89er Revolution. Heute sind die Farben zurückgekehrt, man hat sie aus dem hintersten Gedächtnis nach vorne geschöpft und gegen das Atlantis-Grau getauscht – nun hat diese unnachahmliche, schon ins Braun spielende Farbe im kostbaren und stufenreichen Spektrum der Asche den Platz in den Erinnerungs-Katakomben eingenommen und irrt vermutlich, ein ungeliebter Verfallsriese, durch die Ruinen des 13. Februar 1945, auf der Suche nach der ersten Stimme all der Echos aus jener inzwischen fast unausdenklich fernen Vorzeit. Immer wieder ging ich in Gedanken die Wege ab, die mich am sichersten in den Verbotenen Bezirk führen würden, wo der Wald und die Manöver der Tarnfarben begannen, wo ein Lichtkeil durch verzweifelt dichte Gewirre von Tannennadeln stach, Haarnadeln japanischer Fuchsfeen gleich, die verirrte Ritter zum Schloß im Spinnwebwald lockten. In der Zone, wo die Bunker nur erste Treppenstufen zeigten, von Mülltonnen camoufliert oder Wellblech, das zu einer Turnhalle zu gehören behauptete, in der Zone, wo im Moosboden Kanalisationsdeckel auf Tunnelsysteme hinwiesen, im Waldmeister verrostende Klaviere oder Betonpfeiler auftauchten, stacheldrahtbetreßt, und ein Schild vor dem Betreten warnte, wo Fahnenmasten scheinbar sinnlos auf einer von Schlangenbuchengesäumten Lichtung standen und, sah man genauer hin, feingetarnte Lüftungsschlitze enthielten; in der Zone, wo der vor einer Bücherwand oder kreisenden Schallplatten zurückgelassene Körper leicht zu verhaften war, da Erinnerungen ihn zugleich preisgaben und erstarren ließen, abends, wenn in der Stadt Sandmann und die Tiefausläufer der zentralen Fernsehanstalt von Adlershof herrschten – in jener Zone begann die Verwandlung von Dresden zu Ander-Dresden, dazwischen die Schmetterlingsklingel. Sie war nicht leicht zu erreichen. Wer öffnete, wenn ich sie gedreht hatte? Noch heute höre ich das
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