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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn
Autoren: Colin Dexter
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also reibungslos hereingekommen, Philip?«
    »Ja, danke. Kein Alarm auf der Wache.«
    »Gut.« Bartlett blinzelte hinter seiner Brille. »Ich – äh – habe auch noch ein paar Sachen zu erledigen.« Er machte die Tür wieder zu und ging in sein Büro. Er wußte natürlich, was gespielt wurde. Für einen klugen Mann wie Ogleby war die Ausrede mit der Alarmanlage äußerst dürftig. Aber wonach hatte er gesucht? Bartlett öffnete seine Schränke und zog die Schublade heraus, aber alles war in Ordnung, offenbar war nichts gestohlen worden. Und überhaupt – was hätte hier das Stehlen gelohnt? Er lehnte sich zurück und runzelte nachdenklich die Stirn. Die Sache war doch recht beunruhigend. Er ging noch einmal die paar Schritte bis zu Oglebys Zimmer, aber Ogleby war schon weg.

5
     
    Morse sah in den großen Spiegel vor sich und begutachtete darin den Reflex des hinter ihm erhobenen Handspiegels, in dem hinwiederum er die Okzipitalregion eines in seinen Augen bedeutenden Hauptes betrachten konnte. Er nickte, ohne eine Miene zu verziehen, während der Handspiegel an die linke Nackenseite rückte, nickte erneut, als er nach rechts überwechselte, lehnte die vorgeschlagene Verwendung eines weißen, schmierig aussehenden Haarbalsams ab, der griffbereit auf dem Ablagebrett vor ihm stand, erhob sich wie ein enthülltes Standbild, nahm das ihm entgegengestreckte Zellstofftuch, rubbelte energisch über Gesicht und Ohren und griff nach seiner Brieftasche. Wieder einmal geschafft. Er fühlte sich nie wohl, wenn sein Haar ihm in unordentlich-lockiger Fülle über den Kragen zu wachsen begann, während die Wuchsfreudigkeit auf dem Kopf leider neuerdings zu wünschen übrig ließ. Er gab dem Friseur ein großzügiges Trinkgeld und trat auf die Summertown hinaus. Es war zwar nicht mehr so kalt wie in den letzten Tagen, dafür nieselte es leicht, und er beschloß, mit dem Bus zu seiner möblierten Wohnung am oberen Ende der North Oxford zu fahren. Es war Dienstag, der 25. November, 10 Uhr 15.
    Daß ihn im Präsidium irgend etwas Welterschütterndes erwartete, war unwahrscheinlich, und er mußte sowieso zu Hause vorbei. Es war ein Ritual für Morse. Als Rekrut hatten ihn die von der Army gestellten kratzigen Unterhemden, kratzigen Hemden und kratzigen Hosen fast verrückt gemacht. Seine Mutter hatte ihm eingeredet, er habe eine besonders empfindliche Haut, und das hatte er verinnerlicht. Zu Hause war es immer dasselbe nach dem Haareschneiden: Er zog Hemd und Unterhemd aus, ließ warmes Wasser ins Waschbecken laufen und tauchte den Kopf hinein. Ein reiner Genuß. Er wusch sich zweimal die Haare, trocknete Gesicht und Ohren gründlich ab, rubbelte den Rücken mit einem Handtuch, trocknete das Haar, spülte die kurzen schwarzen Härchen, die sich am Waschbeckenrand festgesetzt hatten, weg, holte sich ein sauberes Unterhemd und ein frisches Hemd. Dann kämmte er sich liebevoll vor dem Badezimmerspiegel.
    Aber heute vormittag lief es nicht ganz so wie sonst. Er war gerade dabei, die zweite Portion Pflegeshampoo abzuspülen, als das Telefon läutete. Er fluchte hingebungsvoll. Wer zum Teufel – »Gut, daß ich Sie zu Hause antreffe, Sir. Im Büro hatte niemand Sie gesehen.«
    »Na und? Ich habe mir die Haare schneiden lassen. Ist doch wohl kein Verbrechen.«
    »Können Sie gleich herkommen, Sir?« Lewis war plötzlich ganz ernst geworden.
    »In fünf Minuten. Was gibt’s denn?«
    »Wir haben einen Toten, Sir.«
    »Von wo rufen Sie an?«
    »Vom Revier, Sir. Kennen Sie die Pinewood Close?«
    »Nein.«
    »Ist vielleicht besser, wenn Sie erst hier vorbeikommen.«
    »Okay, erwarten Sie mich dort.«
     
    Auch Chief Superintendent Strange erwartete ihn. Ungeduldig stand er auf den Stufen zum Revier der Thames Valley Police in Kidlington, als Morse seinen Lancia parkte und heraussprang.
    »Wo haben Sie denn gesteckt, Morse?«
    »Entschuldigen Sie, Sir, ich hab mir die Haare schneiden lassen.«
    »Sagen Sie das noch mal.«
    Morse schwieg. In den hellgrauen Augen stand nicht die Spur von schlechtem Gewissen oder Ärger.
    »Schöne Reklame für die Polizei. Da werden brave Bürger umgelegt, die Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Ordnungskräfte haben, und der einzige verfügbare Chief Inspector läßt sich die Haare schneiden.«
    Morse hielt den Mund.
    »Hören Sie zu, Morse, Sie übernehmen den Fall, ist das klar? Sie können Lewis haben, wenn Sie wollen.« Strange wandte sich ab, dann fiel ihm noch etwas ein. »Und kein weiterer
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