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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Mantel war tatsächlich da, ich erinnere mich genau, weil sein Schrank offenstand und ich ihn zugemacht habe. Dem Chef wär das nicht recht gewesen, er ist da sehr eigen.«
    »Lag ein Zettel auf seinem Schreibtisch?«
    »Ja, den haben wir auch gesehen.«
    »Sagten Sie ›wir‹?«
    »Mr. Roope und ich, Sir. Er hatte gerade –«
    »Und was wollte der hier?« fragte Morse.
    »Er wollte zum Chef, aber der war nicht da, das wußte ich. Und da hat mich Mr. Roope gefragt, ob einer von den anderen da ist, er hatte irgendwelche Papiere, die er jemandem geben wollte.«
    »Und wem hat er sie gegeben?«
    »Das ist es ja gerade, Sir. Wie gesagt, wir haben’s in den anderen Zimmern probiert, aber es war keiner da.«
    Morse sah ihn scharf an. »Das wissen Sie genau, Mr. Noakes?«
    »Jawohl, Sir. Wir haben niemanden gefunden, und da hat Mr. Roope die Papiere dem Chef auf den Schreibtisch gelegt.«
    Morse warf Lewis einen Blick zu und hob merklich die Augenbrauen. »Soso, das ist ja sehr interessant. Wirklich, sehr interessant.« Aber trotz seiner offenkundigen Anteilnahme stellte Morse keine weiteren Fragen, jedenfalls noch nicht. Die Wendung der Dinge hatte ihn schlichtweg überrumpelt, und er bereute jetzt seine töricht-theatralische Entscheidung, bei den Mitarbeitern in Umlauf zu setzen (inzwischen hatte es sich ja wohl überall herumgesprochen), daß er sie bitten würde, über ihren Aufenthalt am Freitag nachmittag Rechenschaft abzulegen. Damit, daß sie alle ein Alibi brauchen würden, hatte er nicht gerechnet. Bartlett war in Banbury gewesen, das wußte er. Aber wo hatten die anderen an diesem verhängnisvollen Nachmittag gesteckt? Monica, Ogleby, Martin und Quinn. Im Büro waren sie nicht gewesen. So ein Mist.
    »Um welche Zeit war denn das, Mr. Noakes?«
    »Gegen halb fünf, Sir.«
    »Hatten die anderen eine Nachricht hinterlassen?«
    »Ich glaube nicht, Sir.«
    »Ist es denkbar, daß einer der anderen oben war?«
    »Möglich schon, aber … Na ja, ich war ’ne ganze Weile hier. Ich hab die Leuchtstoffröhre im Gang ausgewechselt, als Mr. Roope reinkam.«
    Morse war sichtlich noch immer etwas verunsichert, und Lewis beschloß, ihm unter die Arme zu greifen. »Wäre es möglich, daß jemand auf der Toilette war?«
    »Da müßte er aber lange drin gewesen sein.«
    Das etwas abschätzige Lächeln machte deutlich, daß Noakes mit Bemerkungen eines bloßen Sergeant nichts am Hut hatte. Das sonst so geläufige »Sir« hatte er betont weggelassen.
    »Am Freitag nachmittag hat es geregnet, nicht?« fragte Morse schließlich.
    »Ja, Sir. Sturm und Wolkenbruch. Scheußlicher Nachmittag.«
    »Hoffentlich hat sich Mr. Roope die Füße abgetreten«, meinte Morse harmlos.
    Zum erstenmal wirkte Noakes fast verlegen. Er rieb sich unbehaglich die Hände und überlegte, was das wohl wieder sollte.
    »Haben Sie einen der anderen Mitarbeiter noch gesehen? Später, meine ich …«
    »Nein, nicht richtig. Ich meine, ich hab Mr. Quinn in seinem Wagen wegfahren sehen, das war etwa um –«
    »Wie bitte?« Morse richtete sich auf und blinzelte Noakes verwirrt an. »Sie haben ihn wegfahren sehen, sagen Sie?«
    »Ja, Sir. Zehn vor fünf muß es etwa gewesen sein. Sein Wagen war –«
    »Standen sonst noch Wagen da?« fuhr Morse dazwischen.
    »Nein, Sir, nur der von Mr. Quinn.«
    »Vielen Dank, Mr. Noakes, Sie haben uns sehr geholfen.«
     
    Morse stand auf und ging zur Tür. »Danach haben Sie niemanden mehr gesehen?«
    »Nein, Sir. Nur den Chef, der ist gegen halb sechs noch mal ins Büro gekommen.«
    »Ah ja. Also vielen Dank.« Morse hatte Mühe, seine steigende Erregung zu verbergen, und hätte am liebsten Noakes in den Gang hinausgeschubst.
    »Wenn ich Ihnen sonst noch behilflich sein kann, Sir … ich kann jederzeit …« Er stand katzbuckelnd an der Tür. Wie ein Lehnsmann, der Abschied von seinem Herrn und Gebieter nimmt. Doch Morse hörte gar nicht hin. Eine leise Stimme in seinem Kopf sagte:
    »Hau ab, du Schleimer!« Aber er nickte nur freundlich, und der Hausmeister machte sich endlich davon.
    »Was sagen Sie dazu, Lewis?«
    »Würde mich nicht wundern, wenn wir demnächst jemanden finden, der Quinn am Freitagabend in einem Pub gesehen hat. Kurz vor Toresschluß.«
    »Glauben Sie?« Aber Morse interessierte sich im Grunde nicht für Lewis’ Ansichten. Gestern waren zwar die Räder angelaufen, aber offenbar, wie sich jetzt herausstellte, verkehrt herum, und während der Unterhaltung mit Noakes waren sie vorübergehend ganz zum

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