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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufgedruckten Dogenpalast und einige grelle Mutter-Gottes-Bilder lagen neben gezuckerten Feigen und einem Gewirr goldener dünner Kettchen und flacher Anhänger mit dem Markus-Dom.
    Der Händler nickte mehrmals, ehe er an Cramer herantrat und sich neben ihn an das eiserne Geländer lehnte. Sein dunkles, von der Sonne gegerbtes Gesicht war von einem breiten Lächeln durchschnitten.
    »Signore sind traurig?« fragte er mit einer weichen Stimme. »Wer kann in Venedig traurig sein? Wegen einer Signorina, – o, man kennt das! Aber es gibt viele hübsche Mädchen in Venedig, Signore …«
    Cramer lächelte und schüttelte den Kopf. »Wenn du wüßtest, mein Lieber –«, sagte er.
    »Ich weiß nichts, Signore. Nur etwas weiß ich: Gegen Traurigkeit helfen gezuckerte Feigen. Sie werden die Süße des Lebens auf der Zunge spüren –«
    »Du verstehst dein Geschäft.« Cramer nahm ein Paket Feigen aus dem Bauchladen und warf einige Lire in den blechernen Geldkasten. »Die Süße des Lebens … mein König von Venedig … was wißt ihr vom Leben?«
    Der Händler hob den Holzkasten an und stützte ihn auf das Geländer neben Cramer. Dann wischte er sich über die Stirn und schüttelte sich, als sei er eine Katze und käme aus dem Wasser.
    »Sagen Sie das nicht, Signore. Wir haben ein schweres Leben. Und wir sehen das Leben – überall, jede Stunde, in allen Farben. An unseren Augen gehen Tausende Schicksale vorbei, und wir kennen die Menschen, wie wir jede Ratte in den Kanälen kennen.«
    »Ein kleiner Rialto-Philosoph –«
    »Man wird es, Signore.«
    »Du kennst Venedig genau?«
    »Wie meine Hose, Signore.«
    »Auch einen Sergio Cravelli?«
    Der Händler sah Cramer von unten herauf nachdenklich und vorsichtig an.
    »Warum?«
    »Du kennst ihn?«
    »Den Geierkopf, natürlich. Er verkauft und kauft Häuser.«
    »Mehr weißt du nicht?«
    »Nein. Doch ja. Jedes Jahr macht er eine große Stiftung für die Erhaltung Venedigs. Sie wissen ja … die Stadt stirbt. Es gibt sogar eine internationale Stiftung mit Namen ›Rettet Venedig‹.«
    »Und darin ist Cravelli?«
    »Ja.«
    Ein plötzlicher Gedanke kam in Cramer hoch. Er griff in die Rocktasche, holte ein paar riesige Lirescheine hervor, zählte ab und legte in den Blechkasten des Händlers 10.000 Lire. Verwundert verfolgte der Händler das Spiel von Cramers Finger.
    »Was soll das, Signore?« fragte er und rührte das Geld nicht an.
    »Mit schwebt ein kleines Geschäft vor. Wieviel verdienst du in der Woche?«
    »Wenn es gut ist – 20.000 Lire«, sagte der Händler zögernd.
    »Also gut. 20.000.« Cramer griff noch einmal in die Scheinbündel und legte noch einmal 10.000 Lire in den blechernen Kasten. »Ich möchte, daß du für mich arbeitest.«
    »Als Händler? Was haben Sie zu verkaufen, Signore? Und im voraus: Ich mache keine dummen Sachen! Ich bin ein ehrlicher Mensch und ich bleibe es.«
    »Du wirst von heute nacht ab etwas beobachten. Tag und Nacht. Du kannst dir noch Freunde dazuholen, denen ich ebenfalls 10.000 Lire in der Woche zahle.«
    »Beobachten? Wen?«
    »Sergio Cravelli …«
    Der Händler pfiff durch die Zähne und stieg aus dem Lederriemen. Er stellte seinen ›Laden‹ vorsichtig auf den Boden und kratzte sich dann den lockigen Kopf.
    »Warum?«
    »Wer fragt, wenn er 20.000 Lire bekommt, mein Freund? Alle Personen, die im Palazzo Barbarino aus- und eingehen, Tag und Nacht, schreibst du auf. Du kannst schreiben?«
    »Ich bin ein ausgebildeter Händler«, sagte der Italiener stolz und fast tadelnd.
    »Um so besser. Also, du schreibst alles auf, auch wenn es immer die gleichen Leute sind. Geht Cravelli aus, fährt er mit der Gondel oder seinem Motorboot weg … ihr müßt ihm folgen, ganz gleich, wohin. Und jeden zweiten Tag berichtest du mir. Ich werde hier jeden zweiten Tag genau um die Mittagszeit auf dich warten. Wir verstehen uns?«
    Der Händler faltete die Geldscheine zusammen und steckte sie in die Tasche.
    »Und dafür erhalte ich 20.000 Lire?«
    »Ja.«
    »Und warum das alles, Signore?«
    »Ich war verheiratet … unsere Hochzeitsreise ging nach Venedig … dann verschwand meine Frau … ermordet fand man sie wieder, ausgeschwemmt aus den schweigenden Kanälen … Und Cravelli war der Letzte, bei dem sie war –«
    Der Händler schlug ein schnelles Kreuz und blickte hinüber zum Turm von San Giacoma di Rialto. Sein Gesicht war tiefernst.
    »Sie glauben, Signore –«
    »Ich weiß es fast. Nur die Beweise fehlen. Du sollst mir helfen, sie zu finden.

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